Chriis-Chiubi mit em Hotschiminn

In der heutigen Folge unseres beliebten und beinahe schon mit ermüdender Häufigkeit erscheinenden Reisejournals erfahrt ihr, wie man in Vietnam Weihnachten feiert. Oder vielleicht besser: „feiern kann“, denn die Mehrzahl der Vietnamesen (über 90%) hat mit dieser christlichen Tradition nicht viel am Hut. Ob man auch in meinem Fall von „feiern“ im weihnächtlichen Sinn sprechen kann, könnt ihr alle am Schluss selber beurteilen. Und das geht so:

Am Morgen des 24. erhebe ich mein mattes Haupt erst um 9 Uhr, schliesslich ist Samstag und ich habe dieses Jahr schon alle meine Geschenke parat und kann auf’s last Minute Shopping verzichten. Was für ein Luxus! Ausserdem steht heute keine Reise nach Bern auf dem Programm, was die Tagesplanung zusätzlich entspannt… In Tat und Wahrheit hängt diese dermassen durch, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, was ich heute tun soll. Dies ist erst mein zweiter Tag in Hanoi und ich habe noch längst nicht alles gesehen, was die Stadt zu bieten hat. Nach dem Frühstück packe ich deshalb meine nigelnagelneue, vom ivyTeam gesponserte (dazu irgendwann später vielleicht noch mehr) Digitalkamera und mache mich auf die Socken. Der Himmel ist bedeckt, es hat Hochnebel und die Temperaturen sind hier im Norden von Vietnam mit 12°C nicht gerade hochsommerlich.

Als erstes besuche ich Zitadelle. Diese gibt nicht viel her, aber es ist nett, den Hochzeitspärchen zuzuschauen, die hier mit einem professionellen Fotografen (inkl. Assistenten und Stylistin) Fotos für ihr gemeinsames Erinnerungsalbum machen.

Heiraten in der Zitadelle

Chumm Baby, nume no eis Bildli!

Anschliessend  geht es weiter zu der katholischen Kirche, wo es neben einer Marienstatue mit Jesus auch eine Weihnachts-Krippe und ein halbfertiges Bühnenbild mit Polystyrol-Schneemann und Rentieren (offensichtlich für eine Darbietung heute Abend, siehe Titelbild) zu bewundern gibt.

Katholische Kirche, Hanoi

So, gsehsch es itz besser? - Ja, dr Fisch isch öppe sooo gross!

Danach schlendere ich zum West Lake. Die Sonne hat sich inzwischen durch die Wolken gekämpft und für blauen Himmel und etwas angenehmere Temperature gesorgt. Jede Menge Leute am Seeufer, die das schöne Wetter geniessen oder in einem künstlichen Schwan über das Wasser pedalen. Der perfekte Ort für einen kleinen Weihnachtslunch! Ich setze mich in eines der vielen Cafés direkt am Ufer. Auf Schnecken und Krabben habe ich im Moment keine Lust, und das Käsefondue ist leider gerade ausgegangen, weshalb ich ein halbes Kilo gekochte Kalmare mit Ingwer und ein „Ha Nôi“ Bierchen bestelle. Ein bisschen gummig, das Ganze, aber das passt irgendwie zu dieser Weihnacht. Für Spiel, Spass und Spannung ist aber in ausreichendem Mass gesorgt, denn die Gummibären spritzen lustig schwarze Tinte, wenn man am falschen Ort reinbeisst!

Weihnachtszmittag

GSIGUGEGL - Gummibäre si guet und gäbe e gueti Lune

Dermassen gestärkt verbringe ich den Rest des Nachmittags mit weiteren Sehenswürdigkeiten, z.B. einem Besuch des Mausoleums von Kamerad Ho Chi Minh oder einer Stippvisite bei der berühmten One-Pillar-Pagoda.

Ho Chi Minh Mausoleum

Entgegen der weitverbreiteten Annahme gibt es keine Mäuse in Ho Chi Minh's Mausoleum

Doch je später der Nachmittag und  je näher der Abend, desto mehr sieht man Anzeichen von (amerikanischer) Weihnacht: An jeder Strassenecke hat es Verkäufer, die in letzter Sekunde noch ihre Samichlaus-Ballone loswerden wollen. Mehrmals braust ein Samichlaus auf einem Motorrad an mir vorbei. Überall plärren Weihnachtslieder aus den Lautsprechern. Und als ich gegen 6 Uhr wieder zurück in die Hostel komme, leuchten überall Lichterketten und Tannenbäume in den Hotelfoyers.

Jede Menge luftige Chläuse

Gimmer doch no e Samichlous.

Im Hotel war man inzwischen nicht untätig: Auf der Dachterrasse hat die Crew ein nettes Weihnachtsapéro mit Champagner, Bier, Snacks und Früchten für die Gäste vorbereitet. Very nice! Im Ganzen sind etwa 20 Leute da, die kleine Terrasse ist proppenvoll und 2 Stunden sind im Nu vorbei.

Weihnachtsparty @ Hanoihostel

Nüssli, Kroepek und Frühlingsrollen: Da leuchten die Kinderaugen!

Danach muss ich mich allerdings verabschieden, ich habe nämlich ein Date. Bevor ich nach Hanoi gekommen bin, habe ich mich auf der Couchsurfing Website für ein Weihnachtsessen angemeldet. Es war spannend zu beobachten, wie sich dieser Event entwickelt hat: Zuerst hatte es nur 2 Interessenten, doch dann kamen täglich neue dazu, und schliesslich treffen sich rund 10 Reisende aus Australien-Frankreich-England-Irland-Vietnam-HongKong-Schweiz in einem kleinen Café in der Nähe der Kathedrale von Hanoi, um den Abend in gemütlicher Runde zu verbringen. Von unsererem Tisch im 2. Stock des Cafés sehen wir direkt auf den Platz vor der Kathedrale, wo sich Hunderte von Leuten versammelt haben, um die Dekoration der Kirche zu bestaunen, ein Foto mit Freunden zu machen oder das auf Grossleinwand übertragene Weihnachtskonzert zu verfolgen. Dessen ohrenbetäubend laute Musik übertönt alles andere und an Gespräche ist nicht wirklich zu denken. Es ist so laut, dass wir mit den Fingern essen müssen, weil wir die Stäbchen zwecks akustischer Dämpfung in die Ohren gesteckt haben. Aber es ist trotzdem lustig, und weil Weihnachten ist, gibt’s zum Dessert sogar noch einen Coupe Dänemark. Merry Christmas!

Weihnachtlich geschmückte Kathedrale in Hanoi

Public viewing auf dem Platz vor der Kathedrale

Nachdem wir alle unseren Hunger gestillt haben, streifen wir noch ein wenig durch die Strassen des alten Viertels. Es hat unglaublich viele Leute in der Altstadt heute, einerseits, weil Wochenende ist, aber Weihnachten ist sicher auch nicht unschuldig daran. Überall ist Stau, notabene nicht Autostau, sondern Motorradstau! Da die Motorräder grundsätzlich überall fahren (oder eben nicht), wo man auch zu Fuss gehen kann, ist auch für Fussgänger kein Durchkommen. Wir klettern über Vorderräder, quetschen uns durch Menschenmassen und drücken uns an Hausecken vorbei. Schliesslich finden wir ein etwas ruhigeres Plätzchen und lassen den Abend mit ein paar weiteren Bierchen auf den berühmten vietnamesischen Ministühlen einer Strassenbeiz ausklingen. Der Ausklang ist jedoch nicht von allzu langer Dauer und bricht relativ schnell ab, als die Polizei um Mitternacht vorbei schaut und die Sperrstunde durchsetzt.

Strassencafé

Nein, das ist kein Kinderhort.

Kurze Zeit später liege ich bereits in der Falle, wo ich am Weihnachtsmorgen um 7:15 Uhr von einer freundlichen Schlagbohrmaschine und den Bauarbeiten im Nachbarhaus geweckt werde. So funktioniert Weihnachten in Vietnam.

 

4 Gedanken zu „Chriis-Chiubi mit em Hotschiminn

  1. Hey, die Strassestüehl gsend ja us wie d Duschihöcker in Japan und Korea! So witzig!
    Merry Chrismas!

  2. muesch mau am morge früeh so um di 5i a see…es outdoorfitnessstudio…
    und ids KOTO ga esse, es super projekt vo strassekinder.
    bi mir gits weihnachten im flugzüg.
    liebe gruess cyrille

  3. Mir het dr Wiehnachtslöntsch am beschte gfaue oder besser gseit d Gummibäre :). Irgendöppis seit mir, dass i gloub z Vietnam chli Müeh hätt, mi z ernähre… Üse Wiehnachtsabe isch zfriede gsi. Hüt göh dr Dieter und ig sicher lang ga loufe, s isch chaut aber wuukelos! Uf jede Fau bini froh, müesse mer nid für 20 Lüt beleiti Brötli schmiere :).

    Häb Sorg und ä Drückiquetschter,
    Pempsr

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