Un kilomètre a pied…

La dodo lé là

La bière de la Réunion

Quizfrage: Wo ist der Dodo zu Hause? Fälschlicherweise glauben die meisten Leute, der arme Vogel sei auf Mauritius um seine Existenz gebracht worden. Irrtum! Er hat es sich auf der Nachbarsinsel La Réunion gemütlich gemacht, wie unzählige Schilder mit der kreolischen Aufschrift La Dodo Lé La („Der Dodo ist hier“) beweisen! Man kann sich auf dieser Insel keinen Meter bewegen, ohne dass das Federvieh irgendwo ins Blickfeld gerät.

Doch das Dodo-Bier ist bei weitem nicht das einzige, was die ehemalige Île Bourbon zu bieten hat. Im Gegensatz zur Hochzeitsinsel Mauritius gibt es hier kaum (weisse) Sandstrände, dafür aber eine unglaublich spektakuläre Berglandschaft. Im nördlichen Teil der Insel dominieren die 3 Cirques (Mafate, Salazie, Cilaos; gigantische Vulkankrater) das Landschaftsbild. Sie umgeben den höchsten Berg im indischen Ozean, den Piton des Neiges, der mit seinen über 3000 Metern Höhe alles andere überragt. Der südliche Teil der Insel ist dafür von einem der aktivsten Vulkane der Welt geprägt: der Piton de la Fournaise bricht regelmässig alle paar Jahre (2001, 2002, 2004, 2007) wieder aus und formt seine Umgebung damit immer wieder neu. Alles in allem ideale Voraussetzungen für ein Wanderparadies! Finanziert mit den Geldern der Grande Nation, zu der La Réunion gehört, wurde deshalb ein dichtes Netz von gut unterhaltenen Wanderwegen, die sich über Berge und durch Täler winden, angelegt. Diese sind in Abschnitte von 4-6 Stunden Marschzeit unterteilt und verbinden kleine Weiler und Dörfer, wo am Ende des Tages Hütten und Gästezimmer den müden Wanderer mit Bett, Speis & Trank erwarten.

La Réunion ist ein äusserst beliebtes Ferienziel der Franzosen, und diese überschwemmen vor allem in den Sommerferienmonaten Juli und August die Insel. Weil die Anzahl Plätze in den Hütten beschränkt ist und weil es auf mehrtägigen Wanderungen oft keine Alternativen gibt, habe ich bereits im Januar die Mehrzahl meiner Übernachtungen in den Hütten gebucht, um vor Ort keine bösen Überraschungen zu erleben. Es fehlen mir einzig 4 Nächte, die erste, die letzte und das Wochenende in der Mitte.

Vor dem Aufstieg

Los geht's! (Scheisswetter)

Couchsurfing.org sei Dank verbringe ich die erste Nacht im Hauptort St. Denis im Norden und werde von Yann, trotz Chaos in seiner Wohnung (er ist erst gerade umgezogen) bestens versorgt. Da er sich ebenfalls überlegt, eine längere Auszeit mit einer Weltreise zu verbinden, finden wir schnell einen gemeinsamen Nenner.

Doch damit nicht genug: Als ich ihm erzähle, dass ich noch eine Übernachtungsgelegenheit im Süden suche, bringt er mich Flugs mit einer Arbeitskollegin von ihm in Kontakt, und nur Minuten später ist das noch offene Wochenende unter Dach und Fach. Toller Service! Fehlt nur noch eine Nacht, doch wenn das so weitergeht…

Am nächsten Tag ziehe ich dann mit meinem „kleinen“ Rucksack los (die Reduktion von 50 auf 35 Liter während meines Aufenthalts in der Schweiz war vor allem durch die bevorstehenden langen Wanderungen auf La Réunion motiviert. Wer will sich schon zu Tode schleppen?). Für den ersten Wandertag stehen 1800 Höhenmeter auf dem Programm, doch ich will’s nicht übertreiben: ich gönne mir den Bus bis auf 1200 M.ü.M. und ziehe von dort aus los. Eine weise Entscheidung, nicht nur, weil ich damit meine Kräfte schone, sondern auch, weil meine Motivation dadurch etwas weniger leidet: es regnet nämlich nonstop während des ganzen Aufstiegs bis zur Gîte de la Roche Ecrite. Unterwegs liefere ich mir noch ein Überholduell mit einer Gruppe von 5 jüngeren Franzosen, das allerdings schlussendlich knapp von den Frenchies gewonnen wird (umso deprimierender, weil diese von ganz unten losgelaufen sind). Als sich jedoch herausstellt, dass es sich bei den fünf ausnahmslos um Sportlehrer handelt, trägt sich die Niederlage um einiges leichter…

Camille, Laetitia, Charlotte, François

Mit den Frenchies unterwegs in Mafate

Charlotte, Camilla, Laetitia, Gaeton und François treffe ich während der folgenden Tage immer wieder. Sie absolvieren nämlich den GR2, einen der „grossen französischen Wanderwege„, der die Insel in 12 Tagen von Norden nach Süden durchquert. Da mein Programm oft identisch mit dem Lauf des GR2 ist, beenden wir vielfach die Tagesetappe im selben Dorf oder sogar in der selben Hütte. Manchmal verlieren wir uns 2 Tage aus den Augen (weil sie „linksrum“ und ich „rechtsrum“ wandern), doch es gibt immer wieder gemeinsame Abschnitte, die wir teilweise sogar gemeinsam bezwingen. Es ist eine äusserst sympathische Truppe, und insbesondere mit François, der an der französischen Grenze in der nähe von Porrentruy wohnt, verstehe ich mich hervorragend. Das scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn ehe ich mich versehe, ist auch die letzte noch offene Nacht gebongt: Die fünf werden nämlich im Anschluss an ihre Wanderung noch eine Woche in einem gemieteten Haus an der Westküste verbringen und laden mich spontan dahin ein.

Cirque de Salazie

Wolken ziehen auf

Nach 10 Tagen Randonnée und der Bezwingung des Piton des Neiges, beende ich danach mein Wanderprogramm fürs erste (siehe Tatsächliche Route für eine detaillierte Routendarstellung). Mit Ausnahme des ersten und des letzten Tages, hatte ich zum Glück mehrheitlich sonniges Wetter! Allerdings hiess es oft früh aufstehen: in der Regel lief ich um 7 Uhr los, um am frühen Nachmittag am Ziel anzukommen. Grund dafür ist, dass sich durch die Passatwinde im Laufe der zweiten Tageshälfte oft dichte Wolken und Nebel in den Berggipfeln bilden – wer etwas sehen will von der Landschaft, muss deshalb früh los. Während dieser intensiven Zeit habe ich die Kultur Réunions vor allem in kulinarischer Hinsicht genossen: ich habe unzählige Dodo Biere getrunken, erstklassige kreolische Curries und Rougail Saucisse in den Hüten verspiesen sowie eine Unmenge von offerierten Punchs und Rhums arrangés in mich hineingekippt.

Fanny und Nils

Zwei Parkranger ausser Dienst (im Hintergrund: Le grand Brûlé)

Und, bin ich jetzt stolz auf diese Leistung (äh, nicht die Alkoholmengen)? Ja, schon ein bisschen. Ich habe wohl Tausende von Höhenmetern zurückgelegt (max. 2000 an einem Tag, hoch und runter) und trotz teilweise harten Etappen den Plan immer einhalten können. Aber macht mich das zu einem Sibesiech? Niet. Denn das, was ich hier in 10 Tagen erlaufen habe (und mehr), machen andere innerhalb von 24 (!!!) Stunden. Die Diagonale des Fous findet jedes Jahr im Oktober statt, und auf diesem Rennen, das von mehr als 2500 Personen absolviert wird, durchqueren die Athleten die gesamte Insel. Zahllose Verrückte trainieren vor allem an den Wochenenden für den 160 Kilometer langen und mit knapp 10’000 Höhenmetern (nur bergauf gezählt) ausgestatteten Kurs. Während man also so gemütlich auf den Wanderwegen (alle im Stil von alpin weiss-rot-weiss) mit seinem Rucksackl unterwegs ist und von Stein zu Stein balanciert, hört man ständig ein lautes Getrappel von hinten/oben und muss zur Seite treten, weil wieder eine Gruppe von Spinnern im Laufschritt an einem vorbeihetzt. Man bedenke: Während des Rennens auch bei Nacht, mit Stirnlampe! Wer also noch eine Herausforderung sucht: Bitte schön. Es gibt auch einen kleineren Kurs für die Anfänger und Schwächlinge…

5 Monate!

Es ist mal wieder Jubiläum

Nachdem ich auf dem Piton des Neiges noch mein 5-Monatejubiläum feiern konnte (mit tatkräftiger Unterstützung der Frenchies) folgen 2 ruhigere Tage in St. Joseph/St. Pierre bei Fanny und Nils, die beide Ranger des Nationalparks sind, mir deshalb viel über die Natur und die Geologie des Vulkans zu erzählen wissen und auch verschiedene Ausflüge mit mir unternehmen. Danach miete ich noch für 3 Tage ein Auto und benutze die grössere Bewegungsfreiheit, um noch den Fôret Bébour-Bélouve und die Gegend um den Vulkan zu erkunden. In beiden Gebieten stehen noch einmal längere Wanderungen (aber diesmal ohne Rucksack) auf dem Programm, und ich staune täglich, wie vielfältig die Natur La Réunions auf den total nur gerade mal 2500 Quadratkilometern ist. Das Landschaftsbild verändert sich ständig, was natürlich durch die verschiedenen Klimazonen auf verschiedenen Höhen bedingt ist. So habe ich z.B. auf 2500 M.ü.M. auch zugefrorene Bäche gesehen, während unten an der Küste die Papayas nur so explodieren.

 Am letzten Tag lasse ich alle meine Erlebnisse noch einmal Revue passieren und mache noch einen Inselrundflug mit einem ULM, einem Ultraleichtflugzeug. Der Flug ist fantastisch (Geschwindigkeit t.w.  weniger als 130km/h), und ich kenne natürlich den Grossteil der überflogenen Gebiete, Dörfer und Landschaftspunkte wie meine Hosentasche…

Nur 6 Stunden später sitze ich etwas Wehmütig im „richtigen“ Flugzeug Richtung Madagaskar. Dem Dodo sollte man wohl definitiv irgendwann mal wieder einen Besuch abstatten…