Iterum iterumque… EVROPA!

Mysin out!

Hier wird gerade das Mysinsegel gesetzt (dahinter Mysin-Spinnaker und Genua).

WARNUNG: Dieser Bericht enthält viele grandios klingende Seglerbegriffe und tendiert deshalb dazu, bei Lesern, die mit der Terminologie nicht vertraut sind, einen überaus professionellen Eindruck zu hinterlassen. Das ist natürlich beabsichtigt; bewundernde Kommentare (und ggf. dumme Fragen) dürfen gerne in grosser Menge gepostet werden. (Korrekturhinweise wie z.B. „kn/h – was soll’n das? Physik, kennsch?“ hingegen bitte unter Ausschluss der Öffentlichkeit an mich mailen, damit ich den Artikel klammheimlich korrigieren kann, bevor’s jemand anders auch noch merkt.)

HINWEIS: Keine Ahnung ob der pseudo-lateinische Titel im geringsten korrekt ist. Eigentlich wollte ich ja „Rückkehr nach Europa“ schreiben, aber mein Lateinisch ist leider etwas eingerostet.

Item, genug gelabert. Kommen wir endlich zur Sache:

Doppelsegel = doppelschnell

Genua und Balooner sorgen für Speed

Ein paar Stunden nachdem wir am Morgen des 11. Juni den Hafen von Ponta Delgada hinter uns gelassen haben, verschwindet São Miguel am Horizont und wir sind erneut nur noch von Wasser umgeben. Der Wetterbericht verheisst guten (Nord-) Westwind für die nächsten zwei Tage, danach ist Flaute zu erwarten, weil sich ein nerviges Hoch (der Feind eines jeden Seglers, wenn’s auf dem Weg liegt) zwischen den Azoren und Portugal eingenistet hat. Die Westwindlage ermöglicht uns, endlich auch mal ein paar andere Kurse zu fahren als nur am Wind: Zuerst lassen wir die Baligand unter Halbwindkurs und Mysin-Spinnaker mit 8 Knoten über die Wellen fetzen (yeah!); als der Wind dann nach West dreht ist ein Vor-dem-Wind-Kurs angesagt;  wir nehmen den Spi wieder runter und hissen dafür den Ballooner, womit wir die bereits grosse Genuafläche verdoppeln und mit mehr als 100 m2 Segelfläche am Bug (plus Mysin)  locker die hohe Geschwindigkeit halten können und mit Surfen t.w. sogar bis zu 9.5 kn hinkriegen. Die Windstärken bleiben dabei mit weniger als 30 kn die ganze Zeit über sehr angenehm.

Walfisch

Frisch gefangener Bartenwal

Leider haben wir zu Beginn etwas Kreuzsee (d.h. die Wellen laufen nicht gleich wie der Wind, wodurch das Schiff rollen Rollen geraten kann), so dass sich kurz mein Magen wieder meldet. Allerdings ist das Problem diesmal nach einem Tag Würgerei vorbei (hey, das reimt sich mit „Free Ai Wei Wei“), was mich (und wohl auch den Rest der Crew) enorm freut.

Dann treffen wir auf das angekündigte Hoch, doch die Auswirkungen sind nicht so schlimm wie befürchtet: Weil es sich inzwischen etwas nach Süden verschoben hat, können wir erst bequem einen Tag länger an dessen nördlichem Rand entlang segeln. Doch danach erwischt es uns doch noch: der Wind fällt zusammen und wir müssen im Ganzen etwa einen Tag lang (über zwei Tage verteilt) den Motor anwerfen. Zwischendurch kommt jedoch immer wieder etwas Wind auf, so dass wir trotz allem hin und wieder die Segel hissen und die Dieselkiste abstellen können. Die wirklich idealen Windverhältnisse erlauben uns, ständig mehr oder weniger direkt auf Gibraltar zuzuhalten, so dass wir  keinerlei Zeit mit Kursabweichungen verlieren! Als wir schliesslich nach etwa 5 Tagen in die Nähe der portugiesischen Küste kommen, kriegen wir den dort regulär vorherrschenden Nordwind und können erneut mit räumlichem Kurs auf die Meerenge zuhalten.

EVROPA!

Man sieht es kaum, aber am Horizont erscheint tatsächlich EVROPA.

Am frühen Abend des 17. Juni sehen wir endlich Land, nämlich die spanische Küste. Erst jetzt, obwohl wir schon fast einen Tag lang im Golf von Cadiz und damit in der unmittelbaren Nähe von Portugal sind! Dies sagt jedenfalls die Seekarte (wer’s glaubt), doch konnten wir die Küste nicht sehen, weil wir zu weit südlich segelten. Man stelle sich vor, wir hätten kein GPS und keine Seekarte gehabt, wir wären glatt vorbei gesegelt. Oder vielleicht doch nicht? Denn bereits Stunden vor der Sichtung macht sich der Kontinent durch einen intensiven süsslichen Geruch bemerkbar, der unsere olfaktorisch unterbeschäftigte Nasen mit voller Wucht trifft – das hatten wir auf den Azoren nicht, wohl weil die Landmasse da zu klein war. Überhaupt ist das Erlebnis von „Land in Sicht!“ diesmal für mich viel intensiver als auf den Azoren, obwohl wir diesmal nur gerade eine gute Woche auf hoher See unterwegs waren. Diesmal habe ich unvergleichlich viel stärker das Gefühl, nach Hause zu kommen, auch wenn ich noch nie auf der iberischen Halbinsel war, aber es ist halt Europa! Mein Herz klopft deshalb für einen Augenblick tatsächlich etwas schneller als normal…

Schon seit 2 Tagen haben wir den immer intensiver werdenden Schiffsverkehr wahrgenommen. Während wir vorher höchstens alle paar Tage mal einen Frachter gesehen haben, sind es nun mehrere pro Tag (sowohl in W/E-Richtung wie auch in N/S Richtung) und im Golf von Cadiz, als wir in die Nähe von Gibraltar kommen, fast einen pro Stunde. Das verheisst eine heisse Nacht, denn bei diesem Verkehr muss die Wache natürlich doppelt aufmerksam sein.

Queen Mary und Statist

Queen Mary trifft auf Frachterlein. Erstere erscheint zwar gleich gross, ist aber 3sm (~5km) weiter weg...

Zum Glück haben wir eine AIS-Antenne und eine entsprechende Integration der Daten auf den digitalen Seekarten. Damit wird das Navigieren und umkurven der Ozeangiganten zum Kinderspiel, weil Position, Geschwindigkeit und Richtung aller kommerziellen Schiffe in der Nähe zur Verfügung stehen, und uns die Software genau sagt, ob wir auf Kollisionskurs sind (allerdings gilt das nicht für andere Segler, die müssen immer noch von blossem Auge erspäht werden!). So quetschen wir uns also um ca. 1 Uhr morgens durch die Meerenge von Gibraltar, umgeben von zahn-, äh, zahllosen Schiffen, die bis zu 25x grösser und 4x schneller unterwegs sind als wir. Natürlich sind wir sehr froh um den idealen Wind (nordnordwest), der uns genügend Freiheit zum Ausweichen gibt, ohne dass wir ständig heftige Manöver fahren müssten.

Am Mittag des 18. Juni landen wir dann schliesslich in Benalmadena, südlich von Malaga, in der spanischen Pauschaltouristenhölle, wo sich das Kapitel „Crewmitglied benimmt sich daneben“ noch einmal wiederholt (in leichter Variation). Aber das kann ich ja ein andermal erzählen, die Leute beschweren sich eh‘ schon über den volkswirtschaftlichen Schaden, den ich mit meinen zu langen Berichten, die zur Arbeitszeit im Postfach landen, anrichte.

Ferien im Atlantik

Nach drei Wochen nonstop Segeln hatten wir dringend Ferien nötig. Die Azoren sind dafür hervorragend geeignet, ich kann dieses kleine 9-teilige Inselreich inzwischen aus eigener (3/9-) Erfahrung von ganzem Herzen empfehlen.

Postkartensujet

Ferien mitten im Atlantik

Wer’s klimatisch gemässigt, grün und abwechslungsreich mag, mit viel Natur aller Art (saftige Wiesen, lauschige Wälder, rauhe Küsten, staubige Wüsten, steile Berge) und reicher geschichtlicher Vergangenheit (u.a. geprägt durch Spanier, Belgier, Portugiesen, Engländer, Amerikaner und Piraten); wer einem kühlen Bad im Atlantik oder einem heisses Bad in einer vulkanischen Therme nicht abgeneigt ist; und wer überdies kein Problem damit hat, dass auf jedem Foto eine Kirche zu sehen sein wird, der oder die ist hier bestens aufgehoben. Wem das immer noch nicht genug ist, der sei darauf hingewiesen, dass der Espresso („Kafi Express“) nur 60 Cent kostet. Bei 5 Espressi am Tag kann man damit (verglichen mit Schweizer Espresso-Preisen) schnell den ganzen Aufenthalt amortisieren!

Arbeit in luftiger Höhe

Dieser trainierte Affe flickt gerade das kaputte Decklicht

In Horta (auf der Insel Faial) gelandet, machen wir während der ersten zwei Tage erst mal Schiff und Mannschaft wieder klar.  Dabei stellt sich heraus, dass die grossen Herausforderungen für unsere Crew nicht unterwegs auf See zu finden sind, sondern an Land. Ich muss nämlich schon am 2. Tag verhindern, dass der Skipper meinen Crewkollegen in weitem Bogen von Bord wirft. Lorenzo (41-jähriger Italiener) hat zwar ein sonniges Gemüt aber dafür einen etwas ausgeprägten chaotisch-impulsiven Charakter (verteilt seine Kleider regelmässig zum Trocknen oder auslüften über’s ganze Boot; fragt lieber 3 Mal anstatt einmal nachzudenken; hat (natürlich) keine Uhr und ist regelmässig zu spät, geschweige denn in der Lage, sich selber zu wecken, z.B. für die Wache; kauft Food in grossen Mengen ein, ohne sich mit dem Rest der Crew abzusprechen; etc.) Es mag sein, dass dies Philippe, dem Skipper, dessen Stärke nicht unbedingt Geduld ist und der auch sonst eher eine Neigung zur Pedanterie hat, schon länger ein Dorn im Auge war. Beim gemeinsamen Abendessen am ersten Abend nach der Ankunft sind wir wohl alle etwas müde, ausser Lorenzo: der bestellt munter eine Flasche Wein nach der anderen (mit entsprechenden Auswirkungen auf seinen geistigen Zustand über die Zeit) und labert endlos ohne Punkt und Komma, bis Philippe schliesslich halb im Spass und halb im Ernst meint, er solle doch zur Abwechslung mal essen und Maul halten. Von da an ist die Stimmung irgendwie im Eimer, wir gehen zwar nach dem Znacht (mit Service-Super-GAU, siehe Fussnote [1]) noch gemeinsam eins trinken, aber irgendwie ist es da schon nur noch ein sich-aushalten; wie man sich vorstellen kann, super gemütlich für mich als dritten im Bunde.

Ein Bierchen in Ehren...

Da war die Welt noch in Ordnung

Jedenfalls verabschiedet sich Lorenzo dann später und kehrt erst in den frühen Morgenstunden zurück. Als Philippe und ich um 8 Uhr beim Frühstück sitzen und uns schon mal für die anstehende Boots-Aufräumerei und -Putzerei stärken, torkelt Lorenzo ohne viele Worte an uns und dem gedeckten Tisch vorbei und verschwindet irgendwo an Land. Wir denken erst, er ginge wohl eine rauchen, aber nach einer Viertelstunde ist er noch nicht zurück und nirgends zu sehen… So beginnen wir halt zu zweit mit der Putzerei und nach etwa zwei Stunden zeigt sich dann unser Signore in bester Laune, mit Taschen voller Zeug, unter anderem z.B. 3kg riesige Fava-Bohnen, gerade während wir auf den Knien das Deck zu Ende blank schrubben. Tja, da knallt’s dem Skippi halt den Hut von der Birne und die Nägel von den Zehen und es folgt eine etwas hitzige Auseinandersetzung mit sofortigem Schiffsverweis in bester Hire-and-Fire-Manier. Lorenzo macht daraufhin einen eher schwachen Konterzug, der auf dem Versuch einer Vermittlung von „nix verstan“ mit gleichzeitiger Darstellung totaler Unschuld basiert, weist gequälter Mine darauf hin, dass er halt morgens todmüde sei und unfähig zu denken bis nach dem ersten Kaffee und Zigarette, aber hey, kein Problem, er gehe, er habe auch schon ein anderes Boot ausfindig gemacht. Ich stehe daneben und das ganze kommt mir vor wie „E Löu, e blöde Siech, e Glünggi und e Sürmu“, während der Hinweis auf’s andere Boot dem Skipper endgültig den Rest gibt, denn da verpufft grad das letzte bisschen Glaube an Loyalität und Pflichtgefühl gegenüber dem Rest der Crew.

Fussgänger haben auch auf den Azoren Vortritt

Es geht wieder

Als nicht direkt beteiligter aber sehr wohl betroffener Dritter im Bunde (keine Lust, zu zweit nach Europa zu segeln und meine 7 Stunden Schlaf am Stück gegen 4 Stunden oder weniger zu tauschen) muss ich also nach allen Seiten hin kitten, kleben und pflastern. Nach zwei längeren Gesprächen mit beiden Parteien, den einen um Geduld und Nachsicht bittend, vom anderen etwas mehr Disziplin und Absprache (sprich: Teamarbeit) fordernd, kann ich schlussendlich eine zweite Chance für Lorenzo aushandeln, weil wir ja vorläufig ein paar Tage auf den Azoren bleiben und nicht gleich wieder auf grosse Fahrt gehen werden. Uffa.

Die nächsten paar Tage sind nach diesem Vorfall natürlich nicht unbedingt die von Heiterkeit geprägt, wie man sich vorstellen kann. Doch es zeigt sich, dass es geht, beide Seiten bemühen sich mehr oder weniger, und es herrscht zumindest ein einigermassen zivilisierter Umgang. Nach drei Tagen ist mir klar, dass ich mir keine Sorgen mehr machen muss, auch wenn sich diese Crew wohl nie bei „DRS3 macht es Büro uf“ anmelden und wohl nicht viel weiter als bis Gibraltar existieren wird; aber es gibt immerhin keine grösseren Probleme mehr.

Nachdem wir also in den ersten zwei Tagen die meisten gebrochenen und sonstwie kaputten Teile an Schiff und Crew ausgebessert, geflickt oder ersetzt haben, und sowohl innen wie aussen alles fein säuberlich geputzt wurde, können wir uns endlich der Erkundung der Inseln widmen.

Horta Hafenkunst 1

Hier gibt es keinen freien Quadratzentimeter mehr

Baligand forever

Auch wir sind nun verewigt

Horta auf Faial ist ein wunderschönes, etwas verschlafenes, kleines Städtchen, das wohl vor allem von den Seglern (und anderen Touristen) lebt. Die Marina von Horta ist der bevorzugte Landeplatz für alle Yachten, die entweder von Nordamerika oder den Bermudas aus oder (wie wir) direkt aus der Karibik den Atlantik überqueren. Das Café Peter Sport, welches direkt am Hafen liegt, hat vermutlich schon Tausenden von Seglern das erste Bier nach der langen Überfahrt ausgeschenkt (so im Übrigen auch uns). Im Laufe der Jahre haben viele Crews auf der Hafenmole, den Piers und anderen bepinselbaren Flächen in der Umgebung der Marina ein Erinnerungsbild an ihr Schiff und ihre Passage aufgemalt. Das Resultat ist eine riesige Freiluft-Galerie mit unterschiedlichsten Motiven. Die Latte ist ist ziemlich hoch gelegt: Man kann zwar hie und da noch einen einfach aufgepinselten Schiffsnamen entdecken, doch die meisten Arbeiten haben durchaus einen künstlerischen Anspruch. Die einen sind schlichte grafische Abbildungen typografischer Art, andere wiederum sind richtige Gemälde. Ich verbringe im Ganzen mehrere Stunden damit, mir alle Bilder anzuschauen, und merke dabei, dass die Marina recht weitläufig ist… Die Speicherkarte meiner Kamera ist nach diesem Rundgang um einiges voller, auch nach dem vierzigsten oder fünfzigsten Foto finde ich immer noch ein weiteres Bild, das mich auf eine neue Art fasziniert und anspricht (siehe spezielle Foto-Galerie). Natürlich kann ich es nicht lassen, auch von der Baligand eine Visitenkarte zu hinterlassen. Da ich nirgendwo Farbe in vernünftig kleinen Mengen auftreiben kann, muss ich schliesslich mit Duct-Tape, schwarzem Spray und einem Döschen Tippex auskommen. Das Resultat kann sich jedoch durchaus sehen lassen, meine ich (siehe beiliegendes Foto).

Faial's Caldera, mit Ozean im Hintergrund

Ein grosses Loch mitten in der Insel

Am dritten Tag nach unserer Ankunft auf Faial mieten wir ein Auto und erkunden zu dritt die Insel. Wir erwischen einen praktisch wolkenlosen Tag mit herrlicher Aussicht auf’s Meer. Und immer wieder bestaunen wir die unglaubliche Grünheit dieser Insel: richtiges, nordeuropäisches, sattes Dunkel- und Grasgrün, wie wir alle es seit Monaten nicht mehr gesehen haben! Nachdem wir den über 1000m hohen höchsten Punkt mit grandioser Sicht in den zentralen Krater (Caldera) gesehen haben, umrunden wir die Insel auf der Ringstrasse, welche durch zahlreiche kleine Dörfer, einige Nadelwälder, sowie über Felder, Wiesen und Bäche führt. Die Temperaturen sind sehr angenehm, doch hier ist erst Spätfrühling: Die meisten Blumen, u.a. die unendlich vielen Hortensien, die überall zu sehen sind (ein Charakteristikum aller Azoreninseln, aber vor allem von Faial), haben erst gerade angefangen zu blühen.

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Dos Capelinhos y un Suizo

Nachdem wir frisch gefangenen Fisch in einem Aussichtsrestaurant (das Tischgespräch verläuft immer noch etwas harzig, sprich: gar nicht) genossen haben erreichen wir schliesslich die „Dos Capelinhos“ an der Westseite der Insel. Hier entstand in den Jahren 1957-58 durch einen Vulkanausbruch eine Erweiterung der bestehenden Landmasse in Form einer Halbinsel. Der Kontrast zwischen dem aschgrauen sandigen neuen Land, welches auch nach über 50 Jahren immer noch kaum Spuren von Vegetation zeigt, und dem saftigen Grün der restlichen Insellandschaft ist eindrücklich, die Grenze verläuft messerscharf, wie mit dem Lineal gezogen. Faszinierend ist ausserdem der Leuchtturm, der ehemals auf einer Klippe stand, und nun, am Fuss der vulkanischen Halbinsel, verloren und um seine Funktion gebracht inmitten des aschgrauen Niemandslands steht. Wir erkunden das Gelände ausgiebig zu Fuss und besuchen auch das neu angelegte Besucherzentrum, welches dieses Naturereignis in einem sehr ansprechend konstruierten unterirdischen Bau dokumentiert. Anschliessend gönne ich mir im mollig warmen (schätzungsweise 16-18°C) Atlantik ein erfrischendes Bad, während sich der Rest der Crew ein am Strand stattfindendes Rallye zu Gemüte führt, und dabei gemeinsame Interessen entdeckt.

Kein Lüftchen

Wasser wie Öl

Tags drauf verlassen wir Faial, und fahren zwischen dem hoch aufragenden Kegelkrater des Pico (auf der gleichnamigen Insel) und dem langgezogenen vulkanischen Rücken São Jorge’s weiter Richtung Terceira. Es ist total windstill und die See ist wellenlos und ölig. Wir benutzen auf dieser zehnstündigen Überfahrt den Motor länger als auf der ganzen Transatlantik-Überquerung von St. Martin bis auf die Azoren!

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Die Kirchen von Angra

Auf Terceira liegen wir in der Marina von Angra do Heroismo. Diese Stadt ist zwar schon um einiges grösser als Horta, hat aber trotz zweier Kathedralen und schöner Architektur (und ihrem Status als UNESCO Welterbe) weniger Charme als letztere. Tags drauf mieten wir erneut ein Auto, um die Insel zu erkunden. Wir besuchen u.A. eine Käsefabrik und degustieren den lokal hergestellten Kuhmilchkäse (hier hat es überall Kühe, ich komme mir oftmals vor wie in der Schweiz), der sehr gut schmeckt. Auf dem Gipfel (auch hier gibt es eine Caldera) dringt die Sonne zum ersten mal durch die Wolkendecke. Wieder unten, ist die Sicht dann deutlich besser. Inspiriert von meinem gestrigen Schwumm, geniessen wir an diesem Tag zu dritt ein Bad in den Naturpools inmitten erstarrter Lava in Biscoitos am Nordende der Insel. Diese natürlichen Schwimmbecken werden kontinuerlich durch die atlantischen Brandung mit neuem Wasser versorgt, alle paar Minuten schwappt wieder eine grosse Welle vom Meer her über den Rand eines Pools und sorgt damit für Action…

Aussichtspunkt

Aussicht auf die Marble Mania Ebene

Auf der Weiterfahrt wird bald deutlich, dass sich diese Insel stark von Faial unterscheidet. Die Insel wird landwirtschaftlich viel intensiver genutzt (sagte ich schon, dass es viele Kühe hat?) und die ganze Kulturfläche ist durch unzählige dunkle Lavasteinmauern, wie ein riesiges verzerrtes Schachbrett, in unzählige kleine Anbauflächen und Weiden unterteilt. Tatsächlich kommt Lorenzo, als wir auf einem der zahlreichen Aussichtspunkte stehen und auf diese in den unterschiedlichsten grüntönen gekachelte Landschaft hinunterschauen, als erstes „Marble Mania“ in den Sinn… Ich muss grinsen, denn er hat absolut recht. Die Frage ist nur: Erinnert sich sonst noch jemand an dieses fantastische Spiel auf dem C64? Falls nicht: Google ist dein Freund (GIYF). Vergleiche nebenstehendes Bild mit Screenshots aus dem Internet!

Einen Tag später segeln wir über Nacht nach São Miguel, unserem letzten Ziel in den Azoren. Dies ist die touristisch am meisten erschlossene Insel mit dem internationalen Flughafen und die Hauptstadt Ponta Delgada, wo wir anlegen, ist (verhältnismässig) riesig. Plötzlich ist zweite Haus ist eine Boutique oder ein Restaurant. Wir sind definifiv zurück in der Zivilisation!

Valérie, Philippe, Le Chef, Martijn, Lorenzo

Crews united (Baligand + Antinéa)

In Ponta Delgada treffen wir auch auf Martijn (NED) und Valérie (FR). Sie sind ebenfalls von St. Martin aus gestartet und für mich keine unbekannten; ich hatte nämlich Valérie, die Skipperin, vor gut 4 Wochen in der Marina von Marigot um eine Mitfahrgelegenheit angefragt, allerdings nie eine Rückmeldung erhalten, und als ich kurz darauf schliesslich die Baligand fand, hatte ich alles wieder vergessen. Bezeichnenderweise haben die zwei dann auch mich erkannt und angsprochen und nicht umgekehrt, was für mich mal wieder eine klare Bestätigung meines hundsmiserablen Personengedächnisses ist (ich hoffe inständig, dass ich nach meiner Rückkehr noch irgend jemanden wieder erkenne). Jedenfalls unterhalten wir uns auf dem Dock und sie erzählen mir, dass sie fünf Tage vor uns losgefahren sind und drei Tage länger gebraucht haben für die Überfahrt, weil teilweise überhaupt kein Wind vorhanden war und sie oft den Motor brauchen mussten. Ich hatte also mit der Baligand definitiv das bessere Los gezogen! Kurz darauf stösst auch der Rest meiner Crew dazu, und weil man sich gut versteht (Valérie und Philippe können beide endlich wieder mal volle Kanne französisch reden und ihre Skippersorgen und -erfahrungen austauschen, Martijn und ich liegen ebenfalls auf der gleichen Wellenlänge, er hat ein Jahr lang als Tauchinstruktor in Costa Rica gearbeitet) beschliessen wir nach einem gemeinsamen Nachtessen kurzerhand, am nächsten Tag gemeinsam ein Auto zu mieten.

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Martijn mag Cozido

São Miguel ist die grösste aller Azoreninseln und lässt sich deshalb nicht in einem Tag besichtigen, wie die meisten anderen. Wir beschliessen deshalb, nur den Ostteil der Insel zu befahren. Das Wetter ist uns leider nicht sehr hold an diesem Tag – auf dem Gipfel der westlichen Caldera ist die Wolkenschicht so dick, dass man zeitweise auf der Strasse nicht weiter als 30m sieht und später fängt es dann auch noch an zu regnen. Mit der fantastischen Aussicht auf die zwei Sete Cidades Seen ist jedenfalls nix, und damit war der erste (wörtliche) Höhepunkt schon mal ein Flop. Wir fahren also auf der anderen Seite wieder runter und aus der dicksten Suppe raus und weiter nach Osten. Sao Miguel hat einige vulkanisch recht aktive Zonen, wo kochendes Wasser aus dem Boden tritt, so unter anderem in Furnas. Nach einer kleinen Wanderung vom Aussichtspunkt oberhalb des Dorfes bis zu den heissen Quellen (unterwegs komme ich mir vor, wie in der Schweiz: saftige Wiesen, Nadelwälder, grasende Kühe, Bergsee) können wir gleich noch eine weitere Spezialität des Ortes betrachten: Die Dorfbewohner vergraben nämlich Packen mit Fleisch und Gemüse ca. 1m tief im Boden  (nein, es handelt sich nicht um Eichhörnchen) und garen so das Essen in der heissen Erde. Das Resultat heisst Cozido, lässt sich z.B. im Restaurant „Tony’s“ geniessen und schmeckt vorzüglich (siehe Bild). Anschliessend steht auch auf dieser 3. Inseltour baden auf dem Programm, allerdings diesmal nicht im Atlantik, sondern im Thermalbad. Das Wasser ist stark eisenhaltig und rostbraun, mit einer Temperatur von ca. 35°C. Mir ist das natürlich nach 5 Minuten viel zu heiss, aber Martijn, der noch nie in einem Thermalbad war, bleibt für eine geschlagene Stunde drin sitzen. Ahrgh? Der Mann war wohl mal ein Hummer im Kochtopf in einem früheren Leben.

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Ileana und Judith wissen wie man Seefahrer bewirtet

Auf dem Heimweg besuchen wir dann noch eine Bekannte von Lorenzo’s Mutter. Ileana wohnt seit Jahrzehnten auf den Azoren und zusammen mit ihrer amerikanischen Freundin Judith bewirtet sie uns fürstlich mit Kaffee, lokalem Süssgebäck, azorischem Wein und schlussendlich noch selbstgemachter Pizza, so dass wir am Schluss für gut 2  Stunden anstatt der geplanten halben Stunde sitzen bleiben… Die beiden älteren Frauen hatten wohl schon lange keinen Besuch mehr, sie tischen uns eine Anekdote nach der anderen auf. Als wir schliesslich aufbrechen, kriegen wir noch einen Mozarella, frischen Basilikum und eine Handvoll frischen Rosmarin in die Hände gedrückt. Proviant für die Überfahrt nach Europa!

Tags drauf heisst es „Leinen Los!“ in Ponto Delgado und wir setzen Kurs auf Gibraltar. Doch davon berichte ich später…

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Worst Restaurant ever

Kabam Todos? No Grazie!

[1] Chronologie der Ereignisse: 0) Wir betreten ein leeres Restaurant mit hübsch gedeckten Tischen und ansprechender Menukarte. 1) Bei der Bestellung hört der Kellner leider nicht dem Bestellenden zu, sondern ist extrem abgelenkt, schaut woanders hin, und macht ein paar Scherze mit seinem Kollegen in der Küche. Er muss 2x nachfragen, wer denn nun was bestellt habe. 3) Eine von drei Vorspeisen kommt, die anderen leider nicht. Auch nach weiteren 10 Minuten nicht. 4) Auf Nachfrage, wo denn die anderen Vorspeisen seien, sagt der Kellner, dass gemäss seinen Notizen nur noch eine fehle (d.h. die dritte ging verloren). Diese brauche aber noch ca. 15 Minuten, weil die Zubereitung länger dauere als für die bereits servierte. „Äh, Timing in der Küche?“ merken wir an, worauf sich der Kellner persönlich angegriffen fühlt und nochmal darauf hinweist, dass die eine Zubereitung halt länger dauere als die andere! 5) Schon bald kommen die Hauptgänge, immerhin gemeinsam innerhalb von 5 Minuten. 6) Da war doch noch was? Ah ja, die Vorspeise, die „länger dauert“. Kommt kurz nach den Hauptgängen. 7) Als Ausgleich für die Verspätung schüttet der Kellner diese beim Servieren Philippe über die Hosen (mmh, Moules au Pantalon). 8) Als wir mit dem Hauptgang beinahe fertig sind, kommt doch noch eine 3. Vorspeise (wir verzichten dankend). 9) Wir denken, dass heute wohl nicht ganz unser Tag ist, aber dann stellen wir fest, dass am Nebentisch drei falsche Gerichte serviert werden und eines fehlt. 10) Die Rechnung enthält natürlich 3 Vorspeisen. 11) Das Essen (d.h. die Zubereitung) war tadellos.

Land in Sicht!

Ich bin mal wieder etwas spät dran mit schreiben, äxgüsi. Tatsächlich sind wir schon vor einer Woche, am 3. Juni, nach 18 Tagen Überfahrt wohlbehalten in Horta auf den Azoren eingelaufen. Doch schön eines nach dem anderen…

Zum letzten mal Land

Goodbye St. Martin, Adios Karibik!

Nachdem wir am 15. Mai am frühen Nachmittag St. Martin und damit die Karibik am Horizont zurück gelassen haben, richten wir unseren Kurs auf die 2100 (See-) Meilen entfernten Azoren aus (zu Beginn noch auf Flores). Der Wind kommt aus Osten, das passt hervorragend, und tatsächlich können wir so bereits in den ersten 2 Tagen schnurgerade 300 Meilen auf Amwind-Kurs Richtung Zielhafen gewinnen, ohne auch nur einmal die Segel nachzustellen oder eine Schot in die Hand zu nehmen. Natürlich können wir es unter diesen Umständen nicht lassen, an den Fingern abzuzählen, wie rasch wir unter diesen Umständen ankommen werden (14 Tage!) aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Wir fahren grundsätzlich 24 Stunden am Tag, d.h. eine Person ist immer auf Wache. Tagsüber haben wir 2-Stunden Einteilung, was für jeden 2 Tag-Wachen ergibt. Während der Nacht haben wir 4/3/4-Stundenwachen, wobei Lorenzo die erste Wache von 20 Uhr bis Mitternacht, Philipp (der Skipper) die mittlere bis 3 Uhr und ich die letzte bis 7 Uhr übernehme. Philipp erhält eine kürzere Wache, weil er grundsätzlich immer zur Verfügung steht, und bei fast jedem Manöver oder jeder Entscheidung dabei ist. Dieses System halten wir die ganze Zeit über ein, ausser bei prekären Wetterverältnissen. Dann teilen sich Lorenzo und ich die Nacht in abwechselnden 2-Stunden-Wachen, und Philipp ist Standby (wobei das unter diesen Umständen natürlich heisst, dass er ca. alle 30min irgend eine Entscheidung zu treffen hat oder aufbleibt, um Wetter und Schiff zu beobachten). Letzteren Modus müssen wir zum Glück nur während 2 Nächten fahren, ansonsten haben wir so alle komfortable 7 Stunden Schlaf am Stück pro Nacht.

Morgenstimmung 2

Sonnenaufgang (fast) jeden Morgen

Während der ersten 3 Tage demonstriere ich mal wieder tüchtig meine exzellenten Fähigkeiten zum Rückwärts-Essen: Ich kotze rund alle 4 Stunden weil ich mal wieder Seekrank bin. Ich dachte eigentlich, ich sei dagegen einigermassen immun, aber am Wind bei relativ starkem Wellengang schüttelt und schlägt das Boot mit den 7-8 Knoten, die wir fahren, halt schon ziemlich stark. Zum Glück fühle ich mich nach jedem Ueli-Ruf wieder blendend, d.h. das Übelkeitsgefühl kommt jeweils ziemlich rasch – würghustspotz – dann ist es wieder weg. Das habe ich bei anderen Leuten schon ganz anders gesehen, die so Seekrank waren, dass sie sich vor lauter Elend kaum noch bewegen konnten, das war bei mir zum Glück überhaupt nicht so. Nach 3 Tagen kann ich das Essen schliesslich wieder behalten und die Seekrankheit ist wie weggeblasen. Es kann noch so heftig schlingern und ich kann problemlos unter Deck auf dem Bauch liegend Wasser aus der Bilge pumpen, ohne auch nur einen Anflug von Übelkeit zu verspüren. Das scheint eine Regel zu sein: Philippe meint, er hätte noch nie jemanden gesehen, der länger als 4 Tage unter Seekrankheit gelitten hätte. Wer hätte das gedacht?

Krängung inkl.

Das Schiff steht quasi nonstop schräg für 18 Tage

Das äusserst komische Gefühl im Bauch, das man erlebt, wenn man in der Bugkabine bei starkem Seegang auf dem Rücken liegt, bleibt aber: Zuerst hebt sich der Bug (und damit der Magen) infolge einer Welle auf die man auffährt. Dann schlägt der Bug mit starker Beschleunigung abwärts, der Körper ebenfalls, wobei sich die inneren Organe aber immer noch in Aufwärtsbewegung befinden. Sie stossen deshalb an die Bauchwand (gulp!) und werden dort abrupt abgebremst (urgl?) und wieder nach unten geschleudert (bonk!), wonach sich das ganze wiederholt. Man kann ein ähnliches Gefühl beim Skifahren erleben, wen man mit starker Beschleunigung über eine Kuppe fährt. Aber auf dem Schiff findet es im liegenden Zustand statt, was um einiges komischer ist.

Schon wieder Wolken

Wolken und Wasser sind jeden Tag anders

Und nun zur Frage, die wohl den meisten Leuten auf der Zunge brennt: Was tut man während 18 Tagen zu dritt auf einem 16-Meter-Schiff? Denkt man über denn Sinn des Lebens nach? Wird man still, klein und bescheiden in Anbetracht der endlosen Weite des Meeres und der eigenen Unbedeutsamkeit darin? Ist man dauerspitz, wie sich das für einen Seefahrer gehört? Hat man Sehnsucht nach Land? Geht man sich auf die Nerven? Langweilt man sich ohne Ende? Vermisst man irgend etwas, z.B. ein heisses Bad oder die Bekanntgabe der Lottozahlen am TV? Neinneinneinnein. Man ist einfach. Man lässt (guten Gewissens) den Bart spriessen. Man bestaunt hin und wieder die zahlreichen, immer anders aussehenden Wolkenformationen. Man liest (auf Kindle oder auf Papier). Man kocht (in unserem Fall: ich, d.h. moi je suis le chef du cuisine). Man wäscht ab (sicher nicht ich). Man denkt sich die nächste Mahlzeit aus (das kann durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen). Man nimmt hin und wieder eine Dusche (in Folge Wasserknappheit ca. alle 4-7 Tage, was aber gar nicht so ein Problem ist, weil man immer nur faul rumliegt und nie schwitzt). Man nervt sich je länger je mehr über die 25 Grad Neigung, die ständig vorherrschen (man kocht bergab, scheisst bergauf, liegt am Hang, hangelt sich durch den Salon, klammert sich an jeden Zipfel und Vorsprung und verflucht diejenigen, die nachgeben und reissen, weil man sie bei Ankunft reparieren muss: ich z.B. den Reissverschluss der Cockpitabdeckung). Man staunt über Vögel, die 2000km von jeglichem Land entfernt ums Schiff fliegen und versucht gleichzeitig, diese am Landen zu hindern, denn wer will schon Vogelkacke aufputzen? Man plaudert auf „Frenglish“ miteinander und versucht den Italiener in der Crew zu verstehen, wenn er mal wieder nonstop darauf los redet. Man trinkt mittags ein Bierchen und abends ein Schnäpschen (Ti-Punch mit Rum de Martinique), solange bis die Limetten ausgehen. Man sieht sorgenvoll die Nutella und die Ernussbutter zu Ende gehen. Man lädt 1x pro Tag mit Satellitentelefon den Wetterbericht runter und freut sich, wenn der Wind immer noch da ist. Man gönnt sich ein Nickerchen oder zwei. Kurz: total unspektakulär das Ganze; und nach ca. 10 Tagen ist es einem total egal, ob es jetzt noch 3 Tage, 1 Woche oder 2 weitere Wochen dauert, bis man ankommt. Unerwartete Antwort, gelle? Aber so ist es, glaubt es mir.

3 Monate!

28. Mai = 3 Monate unterwegs

So segeln wir also 18 Tage lang. Wir haben praktisch immer Wind, den Motor gebrauchen wir gerade mal 10 Stunden, meist, um durch eine Schauerzone mit Regen durchzufahren, da der Wind dort meist kurzfristig zusammenfällt. Während der ersten 2 Tage haben wir Südostwind, und können direkt aufs Ziel zuhalten. Danach dreht der Wind nach Osten und Nordosten, wodurch wir auf einen nördlicheren Kurs gezwungen werden. Sobald wir den 38. Breitengrad erreichen, müssen wir nach Osten aufkreuzen. Zu diesem Zeitpunkt, nach 2 Wochen (!) wenden wir zum ersten Mal – zur Freude von Lorenzo, weil er auf der Steuerbordseite schläft, und somit zum ersten Mal an der Wand liegen kann und nicht im Leebord klebt (das ist das Brett, das ein Rausfallen aus dem Bett verhindert). Bis hierhin haben wir jeden Tag mehr als 150sm gemacht, das entspricht einer mittleren Geschwindigkeit von 6kn, das Maximum war 180sm/Tag. Danach wird’s hart – mit diesem Boot (eine Amel Super Maramu 2000) kreuzt sich schlecht, wir können nur etwa 60 Grad gegen den Wind machen, d.h. wir pendeln sehr steil hin und her und machen plötzlich nur noch 50sm pro Tag aufs Ziel zu. Das geht echt an die Nerven, weil wir schon so nah sind, aber nicht mehr vorwärts kommen. Schlussendlich erreichen wir Horta auf Faial am 3. Juni um 8 Uhr morgens. Bei der Anfahrt haben wir superklares Wetter und können die Lichter der Insel schon um 4 Uhr morgens sehen und den Sonnenaufgang direkt über der Insel beobachten. Wir landen problemlos in der Marina und nach gut 420 Stunden auf See betreten wir zum ersten Mal wieder Land. Wir haben den Atlantik mit der mittleren Geschwindigkeit eines Fahrrads (ca. 15km/h) überquert!

Im Hafen von Horta

Yes, wir sind wieder an Land!

Nach einem gemeinsamen Ankunftsbier (noch an Bord), der Immigration (durch 4 Stellen = 1.5 Stunden), einer ausgiebigen Dusche, Kleiderwäsche und gründlichem Auslüften können wir uns wieder den Annehmlichkeiten der Zivilisation (sprich: Internet, Espresso und Patisserie), den Reparaturen am Boot und der Erkundung der Insel(n) widmen. Doch dazu mehr im nächsten Bericht, denn heute verlassen wir die Azoren schon wieder Richtung Gibraltar, wo wir wohl in 8-10 Tagen eintreffen werden.