¿Habla usted español?

[21.3. – 28.3.] Ab sofort gilt die Parole: „fertig pläuschlet“. Ich habe nämlich in Flores (von meiner Liebsten gesponsert) einen wöchigen Spanischkurs gebucht, inklusive Aufenthalt in einer guatemaltekischen Gastfamilie. Die ersten Stunden Unterricht beginnen Punkt 9 Uhr am Montag morgen. Weil mir die Ausdrücke ¡Hola!, ¡Adios! sowie ¡Dejame en paz! und ¡Lárgate! schon geläufig sind, beschliesse ich gleich mit dem Kurs #2 einzusteigen. Ich brauche harten Stoff! In den folgenden 5 Tagen sind also Préterito, Imperfecto, Futuro, los tiempos compuestos, el Condicional und der Imperativo die Höhepunkte meines Aufenthalts. Natürlich ist das viel zu viel für nur 5 Tage, und mein Kopf schwirrt nach jeweils 4 Lektionen wie ein Schwarm Ronrones. Argh! Es gibt ja so viele Verbos Irregulares, und natürlich sind es in jeder Zeit andere, die sich nicht normal verhalten können. Es un desorden! Das schlimmste ist natürlich, dass ich mit der Zeit alle Formen und Endungen total vermische. Ich habe manchmal den Verdacht, dass sich die neuronalen Verbindungen irgendwie falschrum verknoten.

Büffeln mit Robin

Ich mache aber immer brav meine Übungen und Hausaufgaben und schreibe viele kleine Aufsätzchen, damit ich aus meinem „Lehrer“ das Maximum rausholen kann. Robin ist ein netter Typ, aber „Begleiter“ wäre wohl die bessere Bezeichnung für seine Arbeit als „Profesor“. Grundsätzlich funktioniert der Unterricht nämlich so, dass er mir aus dem Buch die Übung vorliest, mich diese dann machen lässt oder – wenn er hin und wieder etwas ungeduldig ist – mir die Lösungen gleich schon vorsagt. Wenn ich mal irgendwo anstosse, kommt es ihm leider nicht in den Sinn, vielleicht noch ein paar zusätzliche Übungen zum Thema aus dem Ärmel zu zaubern oder mal etwas zu repetieren. Sagen wir’s so: Robin’s Kompetenzen als Muttersprachler sind absolut intakt, das didaktische Geschick hingegen etwas unterentwickelt… Nach Ende eines Blocks hatte ich jeweils das Gefühl, er sei geschaffter als ich.

Ich habe aber trotzdem viel profitiert, und sei es nur, weil ich mit Robin für 4 Stunden am Tag einen Gesprächspartner für mich ganz allein hatte, der breitwillig alle mir unbekannten Worte erklärte und meine Aufsätze korrigierte. Ich bin mir abschliessend nicht sicher, ob ich wirklich viel mehr aktives Spanisch erwerben konnte in diesem Kurs, aber theoretisches und passives Verständnis sind sicher gewachsen.

Blick aus dem Zimmerfenster mit Hauptverkehrsmittel im Vordergrund.

Gleichzeitig mit dem Beginn meines Spanischkurses zügle ich meinen Kram von Flores auf die nur etwa 500m entfernte gegenüberliegende Seeseite, ins kleine Dörfchen San Miguel, und werde dort von Oskar und Martha, meinen Gasteltern, herzlich empfangen. Das Zimmer bei ihnen ist nicht im geringsten schlechter als dasjenige, welches ich vorher im Hotel hatte, nämlich inklusive eigener Terrasse, Hängematte, Doppelbett, Aussicht über den See direkt auf Flores, 3 Mahlzeiten am Tag und gepflegte Unterhaltung mit den beiden älteren Herrschaften. Um von San Miguel nach Flores zu gelangen, nehme ich täglich mehrfach eine Lancha (Boot) oder schwimme Abends auch mal rüber (allerdings ohne meine Spanischunterlagen, dafür mit einigen Quetzales in der Badehose um auf der anderen Seite ein Bierchen oder einen Licuado con Leche y Papaya oder Piña zu kaufen).

Doch nach einer Woche im Klassenzimmer bin ich mehr als bereit, mal wieder etwas zu unternehmen. Ich buche deshalb einen mehrtägigen Trek von Flores nach Tikal. Allerdings beginne ich bei dieser Buchung erstmals zu merken, dass es im Moment kaum Touristen in Guatemala hat: Für die Wanderung, die ich plane, verlangen die meisten Agenturen, von denen es Dutzende hat, mindestens 4 Teilnehmer und niemand hat irgend welche Personen vorgemerkt. Ayudo, no conosco a nadie! – Schliesslich finde ich eine Agentur, die bereit ist, die Tour für mich alleine zum Preis von 3 Teilnehmern zu organisieren. Dann mach ich’s halt so, für solche Fälle habe ich schliesslich ein Reservebudget (plus den bescheidenen 2010-er Bonus vom IvyTeam) eingeplant.

Guide und Sohnemann

Am ersten Tag geht es um 6 Uhr morgens los, per Taxi knapp 1.5 Stunden ins nördlich gelegene Cruce dos Aguas, dem Ausgangspunkt der Wanderung (womit der erste Teilehmerbeitrag schon verprasst war). Dort treffe ich meinen Guide René und seinen 11-jährigen Sohn Euler, der das Lastpferd betreuen wird. Wer nun denkt, dass René, sein Sohn und das Pferd sich den Rest meiner bezahlten Kohle teilen, der liegt natürlich falsch. Essen, Trinken, Material, Guide, Guidesohnemann und Pferdle teilen sich den 2. Teil und die Agencia, die ach so viel organisieren musste (1 Telefon an Guide, 1 Telefon an Taxi, Toast und Spaghetti einkaufen) krallt sich das letzte Drittel. So läuft das hier!

Nachdem wir das Rössle mit dem Essen für 3 Tage, 20 Liter Wasser, Hängematten und Moskitonetzen und sonstigem Kram beladen haben, geht es los. Natürlich kann René nur Spanisch, womit mein Spanischkurs eigentlich erst jetzt anfängt. Am ersten Tag wandern wir gemütlich 6 Stunden lang auf einem Feldweg ins Biotope „El Zotz“, zu einer Mayastätte, die nur sehr punktuell erforscht und ausgegraben wurde. Unterwegs zeigt mir René allerlei sympathisches Zeugs, z.B. Pflanzen die einem Haut und Augen verätzen, wenn man mit ihrem Saft in Kontakt kommt, und dann gleich noch die Kur dafür (die Rinde eines anderen Baum, der gleich in der unmittelbaren Umgebung wächst).

Diagnose: Vampirbiss

„El Zotz“ heisst „Die Fledermaus“ und trägt diesen Namen zu Recht; auf dem Gelände der Stätte gibt es nämlich eine Höhle in einer steilen Felswand, in der Hunderttausende von Fledermäusen hausen. Abends um exakt 18:40 Uhr kann man den Ausflug der Flatterviecher beobachten. Erst hört man während etwa einer halben Minute ein Rauschen, das sich kontinuierlich steigert, bis die ersten Fledermäuse die Höhle verlassen und danach während etwa 3 Minuten ein konstanter Strom von fliegenden Mäusen dicht an dicht das Loch Richtung Dschungel verlässt. Man versuche mal, sich auszurechnen, wieviele kg Insekten diese Tiere pro Nacht verschlingen… Jedenfalls sind die Fledermäuse offensichtlich auch vampirisch veranlagt: Am nächsten Morgen hat nämlich Palomo, unser Pferd, 2 Wunden am Hals, die laut René von Fledermausbissen herrühren. Allerdings, sagt er, würden diese nicht beissen, um Blut zu saugen, sondern nur, um mit Hilfe des Blutes Insekten anzulocken. Voilà, está claro. Der nächtliche Himmel mitten im Dschungel ist wolkenlos und es gibt nirgends Licht (ausser einigen Glühwürmchen, die um die Bäume kurven). Die Sterne sind deshalb sehr hell und wunderbar anzuschauen.

Ausruhen im Camp von "El Zotz".

Am zweiten Tag besichtigen wir erst mal die etwas abseits gelegenen Ruinen von „El Zotz“. Vom höchsten Tempel aus (von dem nur die Spitze ausgegraben wurde) sieht man über das Dschungeldach hinweg bis nach Tikal, wo Tempel IV in etwa 35km Entfernung am Horizont aus dem Dickicht aufragt. Da wollen wir hin! Eine etwa 4-stündige Wanderung bringt uns anschliessend auf einem sehr schmalen Pfad bis nach „El Sayasal“, einem winzigen Camp mitten im Dschungel. Während wir in „El Zotz“, weil dort ständig Parkwächter vor Ort sind, noch eine gewisse Infrastruktur wie Küche und WC zur Verfügung hatten, gibt es in „El Sayasal“ nur einen offenen überdachten Unterstand, wo wir unsere Hängematten aufhängen und ein Feuer entfachen können. Nach Einbruch der Nacht gibt es hier viel zu sehen: Die ganzen handtellergrossen Taranteln und Skorpione verlassen ihre Löcher und kreuchen und fleuchen munter und geschäftig zu Hauf um uns herum, was mich zum Schluss kommen lässt, dass Hängematten eine der besten Erfindungen der Welt sind. Man schläft darin zwar nicht am bequemsten (obwohl’s weniger schlimm war, als ich mir vorgestellt hatte), aber man berührt garantiert gar nix und niemanden und schwebt schön komfortabel einen halben Meter über dem Insekten- und Spinnenverseuchten Boden. Ist denn das nicht toll?

Hängematte + Moskitonetz = garantiert angenehme Nachtruhe

Am dritten Tag trennen wir uns von Euler und dem Pferd, denn das noch verbleibende Wegstück ist mit Ross nicht begehbar. Deshalb reitet der 11-jährige ganz allein mit dem ganzen Karsumpel (ausser meinem kleinen Handgepäck) von hier aus 8 Stunden zurück nach Hause. Buen Viaje! René und ich hingegen kämpfen uns noch für weitere 5 Stunden durch den Dschungel. Der Weg ist kaum mehr sichtbar, und wir müssen oft über und unter Bäumen und Lianen durchsteigen oder auch mal etwas mit der Machete wegschlagen. Unterwegs sehen wir noch Brüll- und andere Affen, Tukane, Papageien und Schlangen. Schliesslich erreichen wir Tempel IV in Tikal und springen aus dem Dickicht auf den breiten Gehweg. Eigentlich müsste ich hier noch einemal den horrenden Eintritt zahlen, weil ich aber schon da war, schmuggeln wir uns auf Nebenwegen unauffällig (Liedchen pfeif und in die Baumwipfel schau) am Kassenhäuschen und den Wächtern vorbei nach draussen. Von hier aus geht es dann einem Sammeltaxi zurück nach Flores. Ich bin schweinedreckig und total verschwitzt, aber glücklich. Ein tolles Erlebnis!

Der erste Monat ist geschafft!

Übrigens war am letzten Tag des Treks bereits das 1. Monatsjubiläum! Damit bleiben nur noch 12 mickrige Monätchen übrig. Das obige Monatsbild #1 entstand unter einem ca. 500 Jahre alten Baum zwischen „El Sayasal“ und Tikal. Danke an Nadia und Jürg für die Inspiration; ich kann mich noch sehr gut an eure #7 erinnern…

 

 

 

Koyoten, Reiher und Nebelschleier

Ankunft in Puerto Barrios: Hier werden gerade Chiquita-Bananen verladen!

[14.3. – 20.3.] Nur eine Stunde dauert die Überfahrt mit dem Boot von Punta Gorda im Süden von Belize nach Puerto Barrios an der guatemaltekischen Karibikküste. Weil alles so reibunglos funktioniert, vergesse ich fast, mich auf der Immigration, die sich ca. 200m vom der Anlegestelle entfernt befindet, anzumelden und meinen Stempel abzuholen. Von Puerto Barrios aus sind es anschliessend noch einmal 30 Minuten per Boot bis nach Livingston, der einzigen Siedlung in Guatemala, die auch halboffiziell Englisch spricht. Dies darum, weil ein grosser Teil der hier ansässigen Bevölkerung den Garifunás angehört; Nachfahren von ehemals geflohenen Sklaven aus der Karibik, die sich auch im südlichen Belize niedergelassen haben. Diese einzigen Schwarzen in Guatemala pflegen verständlicherweise eine Kultur, die mit dernenigen der spanisch- oder mayastämmigen restlichen Bevölkerung nicht viel gemeinsam hat.

Uärgh! Eine Bananen-Qualle am Strand von Livingston.

Mein (zugegebenermassen oberflächlicher) Eindruck der Garifuna-Kultur in Livingston war allerdings eher der, dass ich den ganzen Tag lang gefragt wurde, ob ich Marihuana kaufen oder ob ich meine Haare flechten lassen wolle. Dazu kommt noch, dass sich am Hafen Dutzende von Coyotes zu Nutzen machen, dass sie Englisch sprechen und damit den armen Gringos, die ja kein Spanisch können, die ach so komplizierte Ankunft vereinfachen. „Hey, you speak english? USA? Canada? No? Need this? Need that? Which Hotel are you staying at? You want to do a tour? You want to see some REAL Garifuna culture? Come with me! My WHOLE family is Garifuna! We cook for you! We show you our homes! We let you play drums with us! We are so special! Our culture is unique! You HAVE to see this, otherwise you have not been in Livingston! No, I’m not selling anything. I’m just want to be your friend! I feel it already, we have something going on here between us. It’s cool. You cool? Oh, by the way, do you have some money? You smoke? Grass? Marihuana? No?!?“ etc. No thanks,  leave me alone. Da sind mir die wortkargen Ladinos und Mayas um einiges lieber.

Die EU an der Arbeit.

Aber auch diese vernachlässige ich. Ich hänge nämlich an den zwei Abenden, die ich in Livingston verbringe, ausschliesslich mit Italienern ab! Diese kenne ich nämlich quasi schon seit meiner Abreise aus der Schweiz, weil Emmanuele ein Kontakt ist, der mir von gewissen, in guatemaltekischen Dingen nicht unerfahrenen, Kreisen zugehalten wurde. Mit meinem niegelnagelneuen guatemaltekischen Handy, das ich mir durch den Verzicht auf 4 Minuten Roamingkosten-Telefonat mit meinem Schweizerabo erspart habe (4 x 4.50 CHF = 100Q), rufe ich diesen an, worauf er mich prompt am Hafen abholt und mich prontissimo in ein tolles günstiges Hotel steckt. Natürlich spreche ich kein einziges Wort Italienisch und Emmanuele dafür kein Englisch, weshalb die Kommunikation ausschliesslich in Spanisch stattfindet. Spanisch? Äh ja, genau: Man lese 1 Buch (Spanisch in 3 Tagen oder so ähnlich) und nehme einen 2-tägigen Kräschkurs bei einer Privatlehrerin (Nummer bei mir, auf Anfrage), und schon kann man sich fliessend mit „toda la gente“ unterhalten. Okay, vielleicht eher gebrochen wie ein Zwieback zuunterst im Rucksack, aber immerhin! Da Emmanuele & Co. tagsüber für ein europäisches Hilfsprojekt arbeiten, sehen wir uns jeweils abends. Die drei äusserst kommunikativen und supersympathischen ragazzi unterhalten sich in meiner Gegenwart ausschliesslich auf Spanisch, was natürlich sehr höflich, aber total sinnlos ist, weil ich sowieso nur etwa 10% verstehe. Hingegen überhaupt nicht sinnlos  sind die tollen Spaghetti al‘ Gamberetti, die Irene am zweiten Abend kocht. Mamma mia, che buono! In dieser trink- und essfreudigen Gesellschaft mache ich natürlich auch gleich ausgiebige Erfahrung mit dem guatemaltekischen Nationalbier Gallo, das sich zwar einigermassen trinken, aber definitiv nicht saufen lässt.

Ankunft in der Schweiz (per Boot).

Vom Wetter motiviert, welches sich zusehends verschlechtert (sprich: es regnet halbtageweise), reise ich bald weiter. Erneut mit einer Lancha mache ich die Fahrt den Rio Dulce hinauf, erst durch eine Schlucht mit steilen Flanken, dann durch eine Lagune bis zum Dorf Rio Dulce, von wo aus die Strasse nach Norden in den Petén führt. Ich habe noch nie so viele Reiher auf einem Haufen gesehen, wie auf dieser Flussfahrt: Überall im dichten Grün des Dschungels, welcher den Fluss säumt, hat es weisse Flecken auf Stelzen. Auf jedem Foto, das man schiesst, hat es sicher 20 Reiher; es ist echt krasser als Kirchen in Malta (wo die Dichte ca. 5 Stk/Foto beträgt). Hier verbringe ich noch einmal zwei Nächte in einem kleinen Hotel, welches sich in einem Nebenarm des Rio Dulce befindet. Nur mit dem Boot zugänglich, besteht die Anlage aus einigen Bungalows, die auf Stelzen und mit Stegen verbunden mitten im Dschungel stehen. Ich wusste erst nicht, dass das Hotel Schweizern gehört, bis ich auf die dezent im Hintergrund laufenden Züri West und Patent Ochsner Songs aufmerksam wurde (ich hab’s allerdings schon vermutet, weil der Typ an der Reception einen extrem gemütlichen Schweizerdialekt hatte).

Es hat viel altes Holz und GFK am Rio Dulce...

Der Rio Dulce fliesst aus dem grössten guatemaltekischen See, dem Lago Izabal, heraus und ist – nebst Reihern – vollgestopft mit Segelbooten, da der Fluss, wie auch der See, als äusserst hurrikansichere Gegend für diese gelten. Allerdings gibt es nebst neuen Kähnen auch viele, die aussehen, als ob es auf einen Hurrikan auch nicht mehr ankäme… Gerne würde ich ein wenig auf dem Izabal segeln, aber alle Skipper, die ich anfrage, sind entweder nicht verfügbar oder planen den nächsten Törn erst in einigen Tagen.

Sonnenuntergang in Flores, inkl. Bier und Drinks.

Ich lasse die Reiher deshalb alleine weiterreihern und fahre weiter nach Flores, ganz im Norden Guatemalas. Die kurze, 3-stündige Fahrt im Chickenbus wird nur ein kurzes Stündchen aufgehalten von einem Lastwagen, der sich etwas ungeschickt in den Strassengraben manövriert hat und danach, infolge Umkippens, seine ganze Ladung Pepsi über die Strasse verteilte.

Flores ist ein kleines, sehr sympathisches Städchen auf einer Insel, die im zweitgrössten See Guatemalas liegt, dem Lago Petén Izta. Ich leiste mir für die ersten 3 Nächte den Luxus eines Einzelzimmers mit Bad, Balkon und Seesicht für 70Q (~10 CHF). Flores hat vermutlich einen der schönsten Sonnenuntergänge in Guatemala, fast jeden Abend sinkt die Sonne blutrot im See unter, was sich auf einem der zahllosen Holzstege, die nach Westen hin in den See ragen, mit einem Moza in der Hand perfekt geniessen lässt.

Vorher...

Am Wochenende besuche ich dann Tikaldie Hauptattraktion hier in der Gegend. Diese Mayastadt, die zu den grössten und am besten restaurierten von ganz Zentralamerika gehört, ist ein Unesco Welterbe. Die Stätte ist vor allem deshalb beeindruckend, weil sie sehr gross ist und mitten im Dschungel liegt. Die Tempel, Akropolisen (-sae?) usw. liegen in freigelegten Lichtungen unterschiedlicher Grösse und sind durch Wege von z.T. 20 Minuten Länge miteinander verbunden, auf denen man unterweegs zahlreiche Feder- und andere Viecher beobachten kann. Natürlich war hier einst alles freigerodet; man schätzt, dass in dieser Stadt einmal fast 100’000 Mayas gelebt haben. Natürlich hat es auch hier noch zahllose überwachsene Hügel im Dschungel, von denen jeder sicher noch einen weiteren Tempel oder sonst ein Gebäude verbirgt, das einfach noch nicht ausgegraben ist (und wohl auch nie ausgegraben wird).

...und etwas später.

Im ganzen gibt 6 grosse Tempel, wovon der Tempel IV mit etwas über 70m der höchste ist. Von dessen Platform aus kann man fast alle anderen Tempel sehen, wie sie aus dem Dschungeldickicht aufragen. Ich konnte das sehr eindrücklich erleben, weil ich sehr früh vor Ort war. Morgens um 6 Uhr liegt nämlich alles noch im Nebel, was dem ganzen beim Erkunden eine magische Stimmung verleiht. Gegen 8 Uhr, wenn die Sonne hoch genug steht, lichtet sich dieser dann. Diesen Augenblick habe ich zuoberst auf dem Tempel IV mit nur sehr wenigen anderen erleben können: Zuerst sieht man nichts, und dann langsam, langsam, sieht man immer weiter, ein Tempel nach dem anderen wird sichtbar, bis schlussendlich der Blick ungehindert bis zum Horizont reicht.

A long way down.

Am besten gefallen hat mir Tempel V, der zwar nicht so hoch wie Tempel IV, dafür aber extrem steil ist. Die Holztreppe zum raufkraxeln ist eher eine Leiter denn eine Treppe… Etwas fassungslos habe ich dort oben mehrfach zuschauen können, wie Leute mit offensichtlich grosser Höhenangst den Tempel erklettern, sich oben dann mit zitternden Knien und fest an die Wand gedrückt (die Plattform ist etwa 2m breit) zentimeterweise fortbewegen und danach minutenlang vor der steil abfallenden Leiter (knapp 60m) verharren, bevor sie sich an den Abstieg wagen, für welchen Sie schliesslich im Klammeraffen-Style eine weitere Ewigkeit brauchen während deren der Abstieg natürlich für andere blockiert ist. Nid dass ig müesst.

Mehr aus Flores und Umgebung gibt’s in bälde.

Can you Belize it?

Reparation?

Würdest du dein Velo von diesem Mech reparieren lassen?

Und schon wieder eine Woche vorbei. Belize, verschwindet bereits im Rückspiegel. Eigentlich wollte ich ja ziemlich rasch durch das Ländle rauschen, aber es sind dann doch einige Tage mehr geworden als geplant…

[6.3. – 13.3.] Belize, wienomeh? Das ist dieses kleine Land an der Karibik-Küste, eingeklemmt zwischen Mexiko und Gutemala, mit nur 300’000 Einwohnern, welche aber aus vielen verschiedenen Kulturen zusammengemischt sind. Liebe zirka-50-Prozent ältere Leser: Wisst, dass dieses Land nicht mehr „Britisch Honduras“ heisst, nein, es ist de facto seit 1973 unabhängig (weltweit anerkannt, ausser von Guatemala, das immer noch Territorialsnsprüche geltend macht). Die gute Queen Mary ist jedoch immer noch auf den Banknoten präsent, und es bleibt ein Fakt, dass  Belize das einzige zentralamerikanische Land mit einer britischen Kolonialvergangenheit und damit auch das einzige mittelamerikanische Land mit Englisch als offizieller Sprache ist (which comes in very handy, for the poorly Spanish speaking among us, the author thought to himself). Die meisten Belizianer (ausser die Maya und Mestizos, vermutlich) sehen sich kulturell näher an den karibischen Nationen und nicht als Zentralamerikaner. Das wird auch gerne überall wieder betont und wird am deutlichsten am Kréol, einer Art „kaputtem“ Englisch, das in der Karibik sehr verbreitet ist, und das in Belize von sehr vielen als Muttersprache gesprochen wird. Beim Zuhören meint man erst immer, dass Englisch gesprochen wird, allerdings versteht man kein Wort. So geht es wohl den Hamburgern in der Schweiz.
Masken-Tempel

Masken-Tempel in Lamanai

Item, wo war ich? Ich komme also von Mexiko (im Norden) nach Belize, und verbringe erst mal 2 Tage in Orange Walk im nördlichen Belize. Hier mache ich einen Ausflug nach Lamanai, einer Maya-Stadt, die tatsächlich bis um ca. 1700 überlebt hat und sowohl mit den Engländern wie auch mit den Spaniern noch kontakt hatte (dokumentiert durch spanische Kirchen und eine englische Zuckermühle). Dies macht Lamanai recht einzigartig, da so ziemlich alle anderen grossen Maya-Stätten um 850-950 mehr oder weniger gleichzeitig untergingen und verlassen wurden. Tatsächlich vermutet man, dass auf dem Gebiet des heutigen Belize mal 2 Mio. Maya gelebt haben (vergleiche zu den 300’000 Einwohnern heute). Abgesehen von dieser tollen Geschichte, ist Lamanai nicht der riesen Brüller. Steinhaufen halt. Aber im Gegensatz zu Tulum in Mexiko gibt es hier jetzt schon mal erste Steinmetz-Arbeiten zu bewundern (siehe Bild rechts). Was mich aber zum ersten Mal beeindruckt (und noch viele Male mehr beeindrucken wird) ist, dass nur sehr wenige Gebäude/Pyramiden ausgebuddelt wurden. Hunderte bleiben unter Erde und Dschungel verborgen, weil erstens die finanziellen Ressourcen nicht da sind, um sie freizulegen und zweitens die Archäologen meistens nach 4 Jahren oder so weiter ziehen, weil sie glauben alles wichtige Herausgefunden zu haben. Man sieht also an diesen Orten immer Dutzende von überwachsenen Hügeln und weiss: da steckt noch was drunter! Mindestens ebenso spannend wie die Ruinen (wenn nicht spannender) war die 2-stündige Bootsfahrt hin und wieder zurück auf dem Lamanai-River. Hier gab’s unzählige Vögel, Krokodile, Affen, Iguanas usw. zu sehen, und zwar sehr gut, weil wir nur zu dritt in einem kleinen Bötchen waren und der Guide ständig angehalten hat, um uns was aus der Nähe zu zeigen. Very nice!

In der Nähe von Belize City

Ein paar Pelikane, malerisch auf Kabeln drapiert

In Orange Walk wohne ich übrigens in einem japanischen Hotel, das einem Taiwanesen gehört. Äh? Tolles Zimmer habe ich, direkt auf die Strasse, wo wie immer um 5.30 oder spätestens um 6 Uhr der Verkehr voll einsetzt, aber nach meiner Woche auf der Autobahn in Mexiko stresst mich das gar nicht mehr. Im Prinzip. Weil’s aber so ein praktischer Wecker ist (mein Handy ist tot) stehe ich jeweils um 6.30 auf, man gönnt sich ja sonst nix, und „early bird catches the worm“, das kennt man ja. Apropos Chinese (der Taiwanese mag diese Überleitung sicher nicht): Es gibt in ganz Belize wohl keinen einzigen Supermarkt, der nicht von einer chinesischen Familie geführt wäre. Und dabei können die meisten weder Spanisch noch Englisch noch Kréol.

Ich kätsche dann auf jeden Fall dann mal den Bus in die Hauptstadt: Belize City. Übrigens: Belize wird mit stummem „e“ am Schluss gesprochen, also „Beliiiiis“, und so wird unter den Einheimischen auch die Hauptstadt genannt, was natürlich toll ist, weil man dann dem Busfahrer sagen kann „to Beliiiis“ obwohl man schon da ist, haha! Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen, diese Stadt Ansammlung von total uncharmanten Hütten ohne einen einzigen gemütlichen Ort kann man von mir aus nämlich gleich im Meer versenken und ich bin sicher, keiner würde eine Träne weinen. Ich habe in meinen 4 Stunden Aufenthalt (zwischen zwei Bussen)  nichts gesehen, was mich interessiert hätte, ausser einem Stöpsel für’s Lavabo, damit ich Handwäsche machen kann, den ich dann prompt auch gekauft habe.

Einstieg

Einstieg zur ATM-Höhle

Ich lasse dann die nördlichen Cayes („Kiiis“) links liegen, dazu später noch mehr, und biege scharf nach rechts Richtung Westen weg, und fahre bis nach San Ignacio, das natürlich auch nicht so genannt wird, sondern „Cayo“, was einerseits erklärbar ist, weil es die Hauptstadt des „Cayo“ Destrikts ist, andererseits auch hier minim verwirrend, weil „Cayo“ Insel heisst und es davon jede Menge gibt (im Meer), aber im Westen ist nix mit Meer, da gibt’s nur Hügel. Ich fahre also nach Cayo, und kriege zur Abwechslung mal ein richtig gutes Hotel: günstig, eigener Balkon, schön eingerichtetes Zimmer, kein TV und anderer öder Schnickschnack, freundliche Besitzer, kurz: Ein Preis/Leistungsverhältnis deutlich unter 1 (was gut ist, denn dieser Wert sollte gegen 0 streben, Msä, sind wir uns da einig?). Aber ich bin ja nicht wegen des Hotels nach San Ignacio gefahren, sondern wegen der tollen Höhlen, die es hier gibt. Klingelt’s? Ja genau, wir sind immer noch auf dieser Karst-Platte, die schon in Mexiko Anlass gab zu endlosem begeistertem Geschwafel, hier hat’s einfach kein Meerwasser mehr drin, aber Höhle gibt’s noch viel.

Töpfe

Ein paar kaputte Töpfe, mit viel Maya-Style zerbrochen

Ich will die berühmte ATM (Actun Tunichil Muknal) Höhle besuchen, ein absolutes „must“ wie so ziemlich jeder der 5 Reiseführer, die ich im Akihito-Hotel in Orange-Walk studiert habe, meint. Start um 9 Uhr morgens, eine Stunde hinfahrt. Mit dabei ist auch eine Gruppe Newage-Hippies, juhu. 3 esterische Mädels im Alter von 20-65, die eine der drei ist echt zuviel für mich, die kommt grad von einem zweimonatigen Transesoterikastraltunnelingauradingskurs in Guatemala und ist voll auf Maya-Mystik eingestellt. Wenn der Führer (ohne Schnauz) Erklärungen von sich gibt, schliesst sie die Augen und macht so komische wellenförmige Bewegungen mit den Armen und Händen, wohl um sich in das transzendentale Maya-Feld einzuwählen. Zum Glück werden die 3 von einem total non-esoterischen Spanier begleitet; mit Jorge finde ich sofort den Draht.

Schädel

Er hat es leider nicht wieder raus geschafft...

Wir steigen also in die Höhle ein, und ich merke schon bald, dass das nicht wirklich das ist, was ich mir vorgestellt habe. Die Höhle ist nicht wirklich schwierig zu begehen. Man watet zwar meistens hüfttief im Wasser und muss ab und zu mal über einen Stein klettern, aber im Prizip ist es ein Spaziergang (was auch die vielen Gruppen vor und hinter uns, mit dicken Amerikanern und 70-jährigen Grosis bestätigen; die Reiseführer haben jedoch von „mittel-anspruchsvoll“ gesprochen, was ich wohl in Zukunft so lesen muss,  dass Touren von diesem Schwierigkeitsgrad nicht Rollstuhlgängig sind). Ich übe mich also in der Kunst der Adaption und des Mind-Transforming: Anstatt anspruchsvolle Höhlen-Kletterei gibt es halt eine mystische Einführung in die Spiritualität der Maya. Man muss sagen, dass die Höhle dafür durchaus geeignet ist, sie ist eine wahre Maya-Kirche: Hier wurden während jahrhunterten Rituale abgehalten und es war ein absolut heiliger Platz. Überall gibt es originale Maya-Artefakte, meistens Töpfe und Schalen, die rituell zerbrochen und nach einem bestimmten System verteilt wurden.

Skelett

...und sie auch nicht.

Im hinteren Teil der Höhle, den wir nach ca. 1.5 Stunden erreichen, gibt es auch Überbleibsel von menschlichen Opfern: insgesesamt wurden 14 Skelette entdeckt, die immer noch da sind, von Kindern über junge Frauen bis zu erwachsenen Männern. Es ist unklar, ob diese Opfer sich freiwillig dem Ritual unterzogen haben (die Kinder sicher nicht), Indizien an dieser und an anderen Stätten sprechen jedoch dafür, dass zumindest einige davon ihr Schicksal akzeptiert haben (so haben sich z.B. einige Opfer selber eingemauert und sind dann, nachdem der Zugang sauber von innen zugepflastert wurde, erstickt). Das alles ist natürlich sehr interessant, und unser Guide, selber ein Maya-Abkömmling, gibt sich alle Mühe uns das alles äusserst detailliert und ansprechend interpretiert darzubieten. Ein wenig Enttäuschung über die verpasste Gelegenheit, eine echte Höhlenbegehung zu machen, bleibt jedoch zurück.

Stühle

Wohnzimmer à la caraïbe

Nach einem gemütlichen Abend mit Jorge und ein, zwei, drei Bieren besuche ich am nächsten Tag noch Xunantunich, eine Maya-Siedlung in der Nähe von Cayo, und reise dann am drauffolgenden Tag weiter Richtung Süden. Die letzen zwei Tage in Belize verbringe ich auf Tobacco Caye, einer kleinen Insel, einige Kilometer vor der Küste Belizes, die direkt auf dem vorgelagerten Barrier-Riff liegt, welches übrigens das weltweit zweitgrösste ist, gleich nach dem GBR in Australien. Hier geniesse ich Schnorchlerei (das Riff liegt gleich vor der Haustüre), Lesen (I love my Kindle) in der Hängematte meiner direkt am Strand gelegenen Cabaña und das süsse Nichtstun. Die Hoffnung, einige der seltenen Manatees (Seekühe), von denen es in Belize noch recht viele gibt, zu sehen, erfüllt sich aber leider nicht. Dafür sehe ich am Riff und in den grossen Seegrasfeldern unzählige Engelsrochen, grosse Stachelrochen, kleine Stachelrochen,  Barrakudas, Tarpons, riesige Einsiedlerkrebse, und das übliche Gesocks: Kofferfische, Flöten- und Trompetenfische, Nadelfische, Kaiserfische, Muränen, Strahlenfeuerfische usw. usf. Nach zwei äusserst erholsamen Tagen geht’s mit Boot, Bus und schon wieder Boot via Dangriga und Punta Gorda weiter an die guatemaltekische Karibikküste, erster Halt: Livingston.

Mehr gibt’s dann wieder in ca. einem Monat, cuando Guatemala se termina. Hasta luego, compañeros y compañeras!