Madagascar 2: Escape to Toliara

Hier kommt endlich das Sequel zum ersten Madagaskareintrag! Die Story ist so gut angekommen, dass die Redaktion dieses Reisemagazins beschlossen hat, den gleichen Wein in anderen Schläuchen noch einmal aufzutischen, in der Hoffnung auf doppelten Ertrag mit halbem Aufwand. Es hat zugegebenermassen fast gleich lang gedauert, wie normalerweise eine Kinofilmfortsetzung braucht, ist aber hoffentlich etwas weniger öd geraten als die meisten derselbigen.

Von Miandrivazo nach Morondava

Französische Sonnenschirmli-Touristen

Weil der Besuch der weltberühmten Tsingi von Bemaraha mit den ÖV praktisch unmöglich ist, habe ich mich entschlossen, eine organisierte Reise dorthin zu buchen. Mit im Paket enthalten sind als Entrée  eine 3-tägige Flussfahrt im Einbaum und als Dessert der Besuch der Avenue des Baobabs auf dem Weg nach Morondava. Dazwischen Fahrten mit Minibus, 4×4 und Zebu-Karren. Ein tipp-toppes Arrangement also, und als Bonus gibt’s mit Claudia noch eine äusserst nette junge Reiseleiterin, c’est fantastique. Mit von der Partie sind ausser mir noch Claudias 10-jähriger Sohn Tony und 4 französische Bauingenieur-Studenten, die in Antsirabe ein Praktikum absolvieren. Schon wieder mit Franzosen unterwegs! Nimmt denn das kein Ende?

Als erstes fahren wir mit dem Bus von Antsirabe quer durchs westliche Hochland bis ins verschlafene Miandrivazo. Von hier startet die Flussexpedition. Allerdings gibt es für uns Gäste nicht allzuviel zu tun: Nachdem wir es uns in den 2 Kanus gemütlich gemacht haben, brauchen wir kaum mehr einen Finger zu rühren. Gepaddelt, gekocht und Zelte aufgestellt wird ausschliesslich von der Chefin und den 3 angeheuerten Piroguiers, und zwar ohne wenn und aber. Mithelfen? Ein Ding der Unmöglichkeit, aber wenn man wirklich darauf besteht, dann darf man vielleicht noch den letzten Zelthäring einstecken oder mal eine Gabel tragen. D.h. während Claudia und ihre Crew von morgens um 5 bis abends um 10 Uhr schuften, bleibt uns Vazaha nichts anderes übrig als faul rumzusitzen und die Hände im Schoss zu falten. Das entspricht  zwar überhaupt nicht meiner Vorstellung von Reiserei, aber nach zwei Tagen  ergebe ich mich in mein Schicksal als zahlender All-Inclusive-Gast. Immerhin haben wir nach mehrfachem Insistieren erreicht, dass das Nachtessen gemeinsam eingenommen wird. Bei Zmorge und Zmittag sitzen wir aber immer noch schön getrennt: Malagasy hier, Vazaha dort, nix zu machen.

Jippy-ay-yeah, das erste Chamäleon!

Die Fahrt den Tsiribihina hinunter ist trotzdem schön. Wir sehen jede Menge Vögel, ab und zu ein Chamäleon im Schilf, Lemuren in den Bäumen und das eine oder andere Krokodil. Der Fluss hat um diese Jahreszeit nicht so viel Wasser und immer wieder müssen wir aussteigen und die Kanus über den Sand ziehen (lassen).  Doch wenn’s genügend Wasser hat, dann paddeln die drei Piroguiers was das Zeug hält und machen dabei jedem Aussenborder Konkurrenz. Damit die Paddelmaschine nicht den Geist aufgibt, wird sie jeden Tag mit Reis gefüllt, wobei 1 kg Reis pro Person wohl noch knapp geschätzt ist. Wir haben ja diese fixe Vorstellung, dass die grossen Reisesser in Asien zu Hause sind, aber glaubt’s mir: Madagaskar ist das wahre Reisparadies auf Erden.  Die Leute hier schaffen es sogar, bis zu 3 Ernten pro Jahr einzuholen (2 ist normal). Hier gibt’s Reis zum Frühstück, am Mittag und – jawoll, ihr habt’s erraten – zum Znacht; wobei eine Mahlzeit meistens zu 3/4 aus Reis besteht, alles andere ist Beilage. Unsere 3 Paddler essen z.B. schon nur zum Frühstück pro Person eine mittlere Pfanne (ca. 20 cm Durchmesser) voll Reis. Wir Gäste dürfen zum Glück auch etwas weniger nehmen, uff!

Unterwegs mit 2 Zebustärken (2ZS)

Claudia kocht vorzüglich, und zwar konsequent immer zwei Menus pro Mahlzeit: Ein malagassisches für sich und die Crew und ein etwas westlicher angehauchtes für ihre Kunden. Sie gibt alles, um uns die Reise auch kulinarisch so angenehm wie möglich zu machen. Dabei zaubert sie auch mal eine Pizza aus dem Ärmel und hat extra 3 lebendige Hühner mitgenommen, damit wir auch am 3. Tag noch frisches Fleisch haben. Die Pouletten sind irgendwo unter Rucksäcken und anderem Gepäck im hinteren Teil des einen Kanus verstaut und geben hin und wieder mal einen verzweifelten Gack! von sich, wohl ahnend, dass für sie die Reise kein gutes Ende nehmen wird. Dass sie dabei nicht mal einen Platz mit Aussicht und genügend Beinfreiheit erwischt haben, macht die Sache auch nicht besser.

Nach 3 Tagen beenden wir die Fahrt im Dorf Antsiraraka, welches nur über den Flussweg zu erreichen ist. Wir benutzen deshalb Zebu-Karren, um die nächstgelegene Strasse zu erreichen, wo uns ein 4×4 erwartet. Die Zebus sind der Nationalstolz der Malagasy und die Zebukarren, die wirklich überall durch kommen, werden auch „notre Quatre-Quatre“ genannt. Wer braucht schon einen 4×4, wenn man zwei Zebu und einen Holzkarren hat?

Wo das nur hinführt?

Nun ja, für die restlichen 150km, die uns noch bevorstehen bis nach Bekopaka, ist so ein Geländewagen doch ganz praktisch. Mit dem Zebu bräuchte man wohl mehrere Tage dafür, mit der Dieselkarre sind wir hingegen in 5 Stunden dort! Die 3 Piroguiers, die uns bis nach Antsiraraka gepaddelt haben, sind allerdings nicht ganz so schnell wieder zu Hause: 7 Tage brauchen sie für die Strecke in umgekehrter Richtung. Es gibt keine Abkürzung…

Wer mit einem Kühlschrank unterwegs ist, ist hier im Nachteil.

Bekopaka ist der Ausgangsort für Ausflüge zu den grossen und kleinen Tsingi von Bemaraha. Diese faszinierenden Karstformationen bedecken hier an der Westküste von Madagaskar eine grosse Fläche, weshalb man darumherum einen grossen Nationalpark angelegt hat. Die Karstebene ist extrem zerfurcht und hat zahllose schmale Spalten und äusserst scharkfkantige Felsspitzen an der Oberfläche, durch die man mit einem Führer mehrere Stunden lang hindurchklettern kann. Innerhalb der Formationen findet eine Vielzahl an Tieren Zuflucht (verschiedene Lemuren, Schlangen, Chamäleons, Vögel, und sonst noch jede Menge Kreuch-und-Fleuch) und die spezielle Topologie hat eine einzigartige Pflanzenwelt hervorgebracht. Kurz: Es handelt sich bei den Tsingi um ein geologisches Weltwunder, das sich nur hier beobachten lässt (und in etwas kleinerer und weniger imposanter Form noch an zwei anderen Orten in Madagaskar).

Tsingi bedeutet so viel wie „Wo man nicht Barfuss laufen kann“, weil die Felsen und alle Kanten so spitzig und scharf sind. Für die  Malagasy, die in dieser Gegend wohnen, sind die Tsingi heilig. Sie bestatten ihre Verstorbenen in den zahlreichen Höhlen (es gibt aber keine Famadihanas wie im Hochland, siehe letzter Bericht), führen an Ort verschiedene Zeremonien durch und sammeln z.B. Medizinalpflanzen. Während sich jeder normale Mensch innerhalb von Minuten komplett im Wirrwarr der Spalten, Kerben und Schluchten verirren würde, kennen die ansässigen Medizinmänner und Schamanen die Wege in und auswendig. Für die Touristen gibt es einige gut unterhaltene Pfade, auf denen man hin und wieder eine Leiter hochklettert oder auf einer kleinen Hängebrücke eine grössere Kluft überquert. Wer allerdings zuviel Speck auf den Rippen hat, geht das Risiko ein, irgendwo stecken zu bleiben (zum Glück habe ich schon einige Kilo abgenommen).

Zum grössenvergleich beachte man den brusthohen Zaun im Hintergrund

Am letzten Tag unserer 5-tägigen Reise geht es noch 250km nach Süden. Dazu gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, ausser dass der elende rote Staub nach 6 Stunden Autofahrt wirklich überall ist, auch wenn die Autotüren und -fenster geschlossen bleiben. Auf dem Weg von Belo-sur-Tsiribihina nach Morondava kommen wir bei der Avenue des Baobabs vorbei. Das ist ein Stück Strasse, das beiderseitig von vielen Baobabs gesäumt ist und vor allem bei Sonnenuntergang sehr schön anzusehen ist. Natürlich ist es deshalb kein Zufall, dass wir am späten Nachmittag dort vorbei kommen, und natürlich sind wir auch nicht die einzigen. Aber die majestätischen Bäume sind so riesig und eindrücklich, dass es der Stimmung keinen Abbruch tut, wenn noch 200 andere Leute da sind. Ich mache so viele Fotos, dass wohl alle, die sich die Galerie auf Flickr anschauen, darob einschlafen werden (wenn’s nicht schon bei den Tsingi-Bildern passiert ist). Sorry.

So ein kuscheliges Früchtchen

Es gibt übrigens weltweit nur 8 Spezies von Baobab, davon kommen 6 ausschliesslich in Madagaskar vor (und je 1 in Afrika und Australien). Die Bäume können über 800 Jahre alt werden und tragen Früchte, die man essen kann. Doch der Geschmack ist eher langweilig und alles andere als umwerfend. Dafür sind die apfelgrossen Kugeln wegen des feinen Pelzes, der sie überzieht, sehr angenehm anzufassen. Ähnlich wie eine reife Pfirsich, nur kuscheliger!

In Morondava verabschiede ich mich nach dem kollektiven Verzehr einer riesigen Meeresfrüchte-Platte (im Restaurant Chez Alain) von Claudia und meinen Mitreisenden. Dafür tue ich mich gleich wieder mit einem französischen Pärchen und einer Schweizerin zusammen, um einen 4×4 bis nach Belo-sur-Mer zu mieten. Zu viert lässt sich der Preis gerade noch verkraften…

Von Morondava nach Tuléar

Ich plane allerdings nicht  mit den anderen drei nach Morondava zurückzukehren, sondern von Belo aus mit einem Segelboot weiter Richtung Süden zu reisen. Ich habe keine Ahnung, ob das klappt und fahre mal so auf’s Geratewohl dorthin, im Wissen, dass ich noch 2 Wochen Zeit habe, um wieder nach Antanarivo zu kommen.

Ein unglücklicher Baobab

Auf dem Weg nach Belo zeigt uns der Fahrer einen Baobab-Wald, der von einem kürzlich vorbei ziehenden Zyklon stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es treibt einem die Tränen in die Augen, alle diese wunderschönen Bäume wie riesige ausgerissene Pilzstängel am Boden liegen zu sehen.

Dieser Fahrer arbeitet hart für sein Geld

Ebenfalls die Tränen in die Augen treibt uns dann noch ein weiteres Abenteuer: Weil es in letzter Zeit relativ viel geregnet hat, ist die Strasse in noch miserablerem Zustand als bei trockenen Verhältnissen und selbst mit einem 4×4 nicht einfach zu befahren. Als Folge davon schlittern wir des öftern seitwärts über die Piste oder machen hin und wieder mal eine Achteldrehung (zum Glück nur um die Z-Achse). Weil uns der Fahrer unbedingt auch noch die örtlichen Salzgewinnungsfelder zeigen will, müssen wir über eine sehr lehmige Ebene fahren und versenken dort prompt den Vierlivier.

Um den Wagen wieder flott zu machen brauchen wir ungefähr 3 Stunden sowie unzählige von weit weg hergeholte Steine, Äste und Holzbretter; zwei Wagenheber; eine Menge Diesel; viel Geduld und schliesslich noch etwa 20 äusserst hilfsbereite Bewohner eines nahegelegenen Dorfes. Weil aber nach der Rettungsaktion das Getriebe des Geländeganges nicht mehr fit ist, werden wir auch noch Zeugen davon, wie in einer Behelfsgarage mitten im Busch innert Stundenfrist mit Hilfe eines Schweissgeräts, einem Seitenschneider, einem Dieselgenerator (für den Strom) und einem grossen Hammer aus einem Stück Metall eine neue Getriebestange hergestellt wird. Emil Frey’s Garagen sind für Anfänger, möchte man da sagen. Und tatsächlich hält das Teil, so dass wir kurz darauf ohne weitere Zwischenfälle Belo erreichen. Chapeau!

Frohes Schifflebauen am Strand von Belo

Belo-sur-Mer ist ein grösseres Dorf an der Westküste Madagaskars und bekannt für seine Schiffswerkstätten. Hier werden direkt am Strand jedes Jahr Dutzende von neuen Holzschiffen, sogenannte Boutres, zusammengebaut. Am Rande des Dorfes stehen Schiffe in allen möglichen Stadien der Konstruktion und man kann den Zimmermännern bei der Herstellung über die Schulter schauen. Neben der permanenten Dorfbevölkerung leben auf einer vorgelagerten Sandbank in einfachen Zelten noch Hunderte von Vezo – das sind Wanderfischer, die auf der Suche nach ergiebigen Fischgründen von Süd- nach Nordmadagaskar ziehen (und danach wieder zurück).

In Belo angekommen erkundige ich mich gleich nach einer Mitfahrgelegenheit nach Morombe oder Tulear. Es gibt dafür grundsätzlich 2 Möglichkeiten: Entweder mit einem Boutre-Transportschiff oder mit einer Fischerpiroge. Die letztere ist ein fürs Meer fitgemachter Einbaum mit Segel und einem Ausleger. Während ein Boutre sicher bequemer und vor allem günstiger wäre, spricht für die Piroge die sofortige Verfügbarkeit. Dazu muss ich nur ein paar Fischer mit Boot anheuern, ihnen einen dicken Batzen Geld in die Hand drücken und schon bin ich unterwegs. Eine Mitfahrgelegenheit auf einem Boutre zu finden ist hingegen schwieriger, weil diese meistens Salz im Norden von Belo abholen und dann von den Salinen direkt nach Süden fahren, ohne noch einmal in Belo anzulanden. Nachdem ich mehrere Angebote eingeholt habe, finde ich zwei Fischer mit einer eigenen Piroge, die bereit sind, mich für 150’000 Ariary  nach Morombe zu fahren. Der eine spricht sogar ca. 10 Wörter Französisch, was mich schon fast Luxus dünkt.

Achtern sitzt der Steuermann...

...während es sich der Matrose auf dem Ausleger bequem macht

Morombe ist nur etwa 100 km Luftlinie entfernt und es herrscht gerade Ostwind – perfekte Konditionen also (mit der Baligand wäre das in 8-10 Stunden zu schaffen). Wir setzen den Abfahrtstermin auf den übernächsten Tag fest und bis dahin geniesse ich noch ein wenig das Strandleben und den frischen Fisch, den es hier zu essen gibt.

Als es so weit ist, legen wir um 6 Uhr morgens ab und fahren zügig Richtung Süden. Dabei sitzt der Steuermann ganz am Ende der Piroge und benutzt sein nicht fixiertes Paddel als Ruder. Der andere Mann steht oder liegt eigentlich ständig auf dem Ausleger, einerseits als Gewichtstrimm aber andererseits auch, weil es im Boot kaum Platz für drei Personen hat. Ich (= die Ladung) darf es mir in der Mitte  bequem machen – soweit das bei einem ca. 50cm breiten Schiff möglich ist… Schon nach kurzem sehen wir einen ersten Wal, wenn auch weit weit weg. Das fängt ja echt gut an! Am Mittag schläft dann der Ostwind ein und kommt kurz darauf um um 180° gedreht zurück. Kein Problem, damit kann man genau so gut nach Süden fahren! Am späten Nachmittag landen wir schliesslich am Strand und bereiten die Übernachtung vor. Das geht ratz-fatz: 1. Segel herunternehmen und am Strand ausbreiten, 2. sich darin einwickeln und 3. schlafen. Vorher gibt’s noch gekochte Süsskartoffeln (malagassische Gschwellti). Jepp, es ist ein einfaches, aber ein gutes Leben. Der Sternenhimmel ist superklar und ich habe schon lange nicht mehr so viele Sternschnuppen gesehen.

Wo immer am Strand ein Segel liegt, da bette dich ruhig hin

Tagsdrauf weht der Wind erneut zuerst von Osten und dreht dann auf West. Um nach Morombe zu kommen  müssen wir um ein Kap herumsegeln, doch leider kommt der Windwechsel dafür zu früh, und wir schaffen es nicht, gegen den Wind genügend Höhe für eine Umrundung zu gewinnen. Kurz nach Mittag müssen wir aufgeben und legen nach nur etwa 20 km zurückgelegter Strecke in der Nähe von Ankoba wieder an. Upps – schon 2 Tage vorbei und erst knapp die Hälfte der Distanz hinter uns gebracht! Das Segelreisli könnte wohl etwas länger dauern, als gedacht…

Doch ich habe die Rechnung ohne meine wackeren Fischer gemacht. Morgens um 2 Uhr ist Tagwache, der Wind bläst munter und kräftig vom Land weg und wir machen uns im Mondschein auf den Weg. Nur eine halbe Stunde später laufen wir wohl wegen Ebbe auf einer Sandbank auf. Danach geht der Steuermann auf Nummer sicher und bringt erst mal genügend Distanz zwischen Boot und Küste, bevor wir nach Süden abdrehen. Wir segeln so weit weg vom Land, dass es ausser Sichtweite gerät. Ich will ja nicht sagen, dass das grundsätzlich eine neue Erfahrung ist für mich, aber es ist doch ein Unterschied, ob man sowas mit einer voll ausgestatteten modernen Yacht tut oder mit einem klapprigen Einbaum-Fischerböötli in stockdunkler Nacht. Zumindest kann ich jetzt halbwegs nachvollziehen, wie sich die Indonesier gefühlt haben, als sie vor ca. 2500 Jahren auf diese Art und Weise den Indischen Ozean überquerten und  in Madagaskar gelandet sind!

Während wir so über die im Mondschein matt schimmernde Wellen dahingleiten, hört man ab und zu ein starkes Schnaufen und Prusten in unmittelbarer Nähe. Mir wird klar, dass es sich dabei um einen oder mehrere Wale handeln muss. Dass man das riesige Tier, welches sicher um einiges grösser ist als unsere Nussschale, im Wasser unter oder neben uns nur hört und nicht sieht, finde ich ziemlich unheimlich…

Wieder an Land - Bienvenue chez "Le Crabe"

Es wird ein langer und anstrengender Segeltag. Doch meine Begleiter wissen genau, was sie tun. Ein paar Stunden nach Tagesanbruch kommt wieder Land in Sicht und am späten Nachmittag sind wir in Morombe. Dort quartieren wir uns in den Bungalows „Le Crabe“ ein, wo es eine äusserst erfreuliche Überraschung gibt: Hängematten! Wie im guten, alten Mittelamerika! Es gibt nichts besseres, um sich nach einer langen anstrengenden Reise zu entspannen und zu erholen – die Patrons von „Le Crabe“ scheinen die einzigen in ganz Madagaskar zu sein, die das begriffen haben. Bravo!

Doch viel Zeit zum Chillen bleibt mir nicht. Der Bus-Brousse nach Toliara fährt nämlich schon um Mitternacht ab, und ich kann mich gemäss den eingezogenen Auskünften schon mal auf eine Reisedauer „zwischen 12 und 24 Stunden“ einstellen. Für 250km! Na ja, es ist ja trocken, denke ich, und hoffe deshalb auf eine Fahrtzeit die näher bei 12 als 24 Stunden liegt. Doch leider falsch gedacht – wie es sich herausstellt, dauert die Fahrt weder 12 noch 24 Stunden. Nein, geschlagene 25 Stunden lang holpert und ächzt der vollgestopfte Bus über hundsmiserable Staub- und Dreckpisten! 25 Stunden! Und der Fahrer hat nie gewechselt! Ist das krass oder was?

Doch letzteres klingt gefährlicher als es wirklich war: 25 Stunden für 250 km ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von bloss 10km/h und da kann der Fahrer auch mal am Steuer einschlafen, ohne dass etwas wirklich schlimmes passieren kann. Aber unser Chauffeur ist zäh – er hält bis zum Ende durch und fährt und fährt und fährt und fährt und fährt und fährt bis wir endlich, schliesslich, finalemente am darauffolgenden Tag morgens um 1 Uhr in Toliara ankommen. Noch nie habe ich so breitwillig ein Taxi ins nächstbeste Hotel genommen!

– THE END –

Mit diesem Beitrag, liebe Leser und Leserinnen, beenden wir unsere Berichterstattung aus dem fernen Madagaskar. Es gab zwar noch 2 weitere Wochen voller berichtenswerter Geschehnisse, doch müssen wir uns aus zeitlichen Gründen in weiteren Artikeln auf  später erfolgte Begebenheiten konzentrieren. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und bitten vielmals um Entschuldigung.

Summer in the City

Summer in the City

Summer in the City

Nach einer erneuten Woche Ferien (schon wieder, ich weiss) in Malta („Wo ist der Bericht?“ fragt ihr euch, und ich mich auch) sind noch ein paar Moneten übrig und ich beschliesse, diese in der Schweiz auszugeben, wo ich ja schon lange mal hinwollte.

Von anderen Reisenden habe ich erfahren, dass man dieses kleine Land in der Mitte Europas locker in 2 Tagen „erledigen“ könne; es reichten nämlich 2 Tage Zürich, um einen vollständigen Eindruck von Käse, Schokolade, Uhren und Banken zu erhalten (weshalb ich auch gar nicht mehr eingeplant habe). Was die Restschweiz betrifft, so halte ich mich an den Lieblingsausspruch meines Transatlantik-Skippers: „Why bother to stop (t)here? There’s nothing to see!“; womit er natürlich immer vollkommen richtig lag, ich schwör’s, beim Barte vom SVP-Zottel) .

Ich fliege also mit meiner Ferienbekanntschaft (im folgenden „D.“ genannt) am 3. Juli mit Air Malta zurück in die  CH. Das ist sehr praktisch, denn D. hat mir gleich ihre Couch (zwecks Übernachtung) angeboten, was ich natürlich nicht ablehnen konnte. Auch wohnt sie in einem sehr trendigen Viertel, nahe dem Zentrum und der Limmat, und hat sich zudem bereit erklärt, mir ihr Vélo (= Fahrhrad, für unsere deutschsprachigen Leser) zu leihen, womit ich enorm viel Zeit und teures Geld sparen kann. Alles super Gründe, bei ihr zu Hause einzuchecken anstatt im Zürich Backpackers oder in der Zürcher Jugendherberge, wie ich das zuerst geplant hatte!

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Züri West

Und „so möchemrs“, nach einem fantastischen Flug über die wolkenlosen Alpen (und munterem Ratespiel „Was ist was? Was ist wo? Wer ist wie? Wem ist wen?“) landen wir am späten Nachmittag im Ex-Unique-Airport und ich darf schon mal mein Portemonnaie zücken und knapp 7 Fränkli in die Billetmaschine einwerfen, weil ich a) erwachsen und b) ohne Abo und c) bis Wipkingen fahren will. 15 Minuten später stehen wir in D’s Wohnung, c’est fantastique, wenn ich eine Wohnung in Zürich hätte, dann müsste sie genau so aussehen! Wir beschliessen den Abend mit einem Bierchen/Gespritzten und bombastischen „Pommes Alumettes“ als Apéritif im kürzlich eröffneten „Chez les Amis“ (oder so ähnlich) an der Nordstrasse und werfen im Anschluss noch eine Flying Pizza als Znacht hinterher (Wahlspruch: „Lokales Gewerbe unterstützen!“).

Am nächsten Tag muss D. zur Arbeit, aber sie überlässt mir freundlicherweise einen Schlüssel zur Wohnung. Diese Couchsurfing-Hosts sind oft wirklich extrem freundlich und hilfsbereit, das muss hier einfach wieder einmal gesagt werden!

Mit dem von ihr geliehenen Radl widme ich den Montagnachmittag einer Velotour durch Züri West, dem schon nicht mehr so neuen, aber immer noch recht hippen Viertel Zürichs. Wie sich zeigt, gibt es hier auch viele junge Familien, z.B. diejenige von T., J. und L., die sich erst kürzlich eine Wohnung in einem der begehrten „Limmatwest„-Häusern gesichert haben. Spontan werde ich von J., die gerade mit ihrem Jüngsten einen Spaziergang am Fluss macht, zu einem Tee (oder war es Sirup?) in ihrer Wohnung eingeladen und lerne so noch weitere Einheimische kennen. Wir unterhalten uns sehr gut, man könnte meinen wir kennten uns schon jahrelang. Wenn nur der Kleine nicht ständig auf den Boden pissen würde! Aber egal, das machen die jungen Zürcher wohl einfach so.

Unterwegs probiere ich auch ein Glas „Rivella„, das schweizerische Nationalgetränk auf Milchsäurebasis, welches (der Legende nach) vor allem von Sportlern getrunken wird, und das, eisgekühlt, wirklich hervorragend schmeckt.

Den Rest meiner Zeit in Zürich (vor dem Weiterflug nach Mauritius) verbringe ich völlig unspektakulär. Ich …

  • … diniere mit meiner Schwester (die zufälligerweise ebenfalls für kurze Zeit in der Schweiz weilt) im weltberühmten Vegirestaurant „Hiltl“ und überesse mich so krass, wie schon seit 5 Monaten nicht mehr.
  • … absolviere einen nächtlichen Spaziergang entlang der Limmat und mitten durch Zürich (wie schön, dass man hier auch noch um 23.30 problemlos alleine oder zu zweit durch die spärlich beleuchteten Gassen der Innenstadt spazieren kann!)
  • … packe mein Hab-und-Gut von einem 50lt-Seesack in einen 35lt-Rucksack um. Aaah, das trägt sich doch viel angenehmer! Die Seglerklamotten und all den anderen Kram, den ich nie gebraucht habe, lasse ich diskret bei D. zurück.
  • … verbringe zusammen mit meiner Gastgeberin einen gemütlichen (mehr oder weniger windstillen) Nachmittag auf einem Segelboot auf dem Zürichsee. Das Boot ist in einem top Zustand (scheinbar recht neu, aber mit komischem Namen) und gehört ihrem Freund und einigen seiner Kumpels. Nach zwei Wochen Bootsabstinenz stelle ich fest, dass ich Wenden und Halsen immer noch beherrsche, yeah! Auch D. geniesst den hochsommerlichen Ausflug sichtlich (Baden im See und Glace schlecken inklusive).
  • … helfe am letzten Abend noch, eine spontane Gartenparty zu veranstalten, wo ich noch viele nette, coole und interessante Leute treffe! Natürlich muss ich den ganzen Abend pausenlos von meinen Abenteuern erzählen und wünschte, ich hätte diesen Blog ausführlicher geführt!
Cremeschnitten unterwegs

Zürisee by Night (Vorsicht: Crèmeschnitten)

Und so, nach nur 2 1/2 Tagen Schweizerland besteige ich bereits wieder einen Flieger Richtung Frankfurt/Mauritius und bereue es fast ein bisschen, nicht doch noch ein bisschen länger geblieben zu sein. Aber ehrlich gesagt: So erging es mir ja bisher fast immer, wenn ich ein bereistes Land verliess, egal wie lange ich dort war…

Wie sagt man doch so schön unter Weltreisenden: Das ist doch ein Grund, um früher oder später zurückzukehren (und das verpasste nachzuholen)!

Iterum iterumque… EVROPA!

Mysin out!

Hier wird gerade das Mysinsegel gesetzt (dahinter Mysin-Spinnaker und Genua).

WARNUNG: Dieser Bericht enthält viele grandios klingende Seglerbegriffe und tendiert deshalb dazu, bei Lesern, die mit der Terminologie nicht vertraut sind, einen überaus professionellen Eindruck zu hinterlassen. Das ist natürlich beabsichtigt; bewundernde Kommentare (und ggf. dumme Fragen) dürfen gerne in grosser Menge gepostet werden. (Korrekturhinweise wie z.B. „kn/h – was soll’n das? Physik, kennsch?“ hingegen bitte unter Ausschluss der Öffentlichkeit an mich mailen, damit ich den Artikel klammheimlich korrigieren kann, bevor’s jemand anders auch noch merkt.)

HINWEIS: Keine Ahnung ob der pseudo-lateinische Titel im geringsten korrekt ist. Eigentlich wollte ich ja „Rückkehr nach Europa“ schreiben, aber mein Lateinisch ist leider etwas eingerostet.

Item, genug gelabert. Kommen wir endlich zur Sache:

Doppelsegel = doppelschnell

Genua und Balooner sorgen für Speed

Ein paar Stunden nachdem wir am Morgen des 11. Juni den Hafen von Ponta Delgada hinter uns gelassen haben, verschwindet São Miguel am Horizont und wir sind erneut nur noch von Wasser umgeben. Der Wetterbericht verheisst guten (Nord-) Westwind für die nächsten zwei Tage, danach ist Flaute zu erwarten, weil sich ein nerviges Hoch (der Feind eines jeden Seglers, wenn’s auf dem Weg liegt) zwischen den Azoren und Portugal eingenistet hat. Die Westwindlage ermöglicht uns, endlich auch mal ein paar andere Kurse zu fahren als nur am Wind: Zuerst lassen wir die Baligand unter Halbwindkurs und Mysin-Spinnaker mit 8 Knoten über die Wellen fetzen (yeah!); als der Wind dann nach West dreht ist ein Vor-dem-Wind-Kurs angesagt;  wir nehmen den Spi wieder runter und hissen dafür den Ballooner, womit wir die bereits grosse Genuafläche verdoppeln und mit mehr als 100 m2 Segelfläche am Bug (plus Mysin)  locker die hohe Geschwindigkeit halten können und mit Surfen t.w. sogar bis zu 9.5 kn hinkriegen. Die Windstärken bleiben dabei mit weniger als 30 kn die ganze Zeit über sehr angenehm.

Walfisch

Frisch gefangener Bartenwal

Leider haben wir zu Beginn etwas Kreuzsee (d.h. die Wellen laufen nicht gleich wie der Wind, wodurch das Schiff rollen Rollen geraten kann), so dass sich kurz mein Magen wieder meldet. Allerdings ist das Problem diesmal nach einem Tag Würgerei vorbei (hey, das reimt sich mit „Free Ai Wei Wei“), was mich (und wohl auch den Rest der Crew) enorm freut.

Dann treffen wir auf das angekündigte Hoch, doch die Auswirkungen sind nicht so schlimm wie befürchtet: Weil es sich inzwischen etwas nach Süden verschoben hat, können wir erst bequem einen Tag länger an dessen nördlichem Rand entlang segeln. Doch danach erwischt es uns doch noch: der Wind fällt zusammen und wir müssen im Ganzen etwa einen Tag lang (über zwei Tage verteilt) den Motor anwerfen. Zwischendurch kommt jedoch immer wieder etwas Wind auf, so dass wir trotz allem hin und wieder die Segel hissen und die Dieselkiste abstellen können. Die wirklich idealen Windverhältnisse erlauben uns, ständig mehr oder weniger direkt auf Gibraltar zuzuhalten, so dass wir  keinerlei Zeit mit Kursabweichungen verlieren! Als wir schliesslich nach etwa 5 Tagen in die Nähe der portugiesischen Küste kommen, kriegen wir den dort regulär vorherrschenden Nordwind und können erneut mit räumlichem Kurs auf die Meerenge zuhalten.

EVROPA!

Man sieht es kaum, aber am Horizont erscheint tatsächlich EVROPA.

Am frühen Abend des 17. Juni sehen wir endlich Land, nämlich die spanische Küste. Erst jetzt, obwohl wir schon fast einen Tag lang im Golf von Cadiz und damit in der unmittelbaren Nähe von Portugal sind! Dies sagt jedenfalls die Seekarte (wer’s glaubt), doch konnten wir die Küste nicht sehen, weil wir zu weit südlich segelten. Man stelle sich vor, wir hätten kein GPS und keine Seekarte gehabt, wir wären glatt vorbei gesegelt. Oder vielleicht doch nicht? Denn bereits Stunden vor der Sichtung macht sich der Kontinent durch einen intensiven süsslichen Geruch bemerkbar, der unsere olfaktorisch unterbeschäftigte Nasen mit voller Wucht trifft – das hatten wir auf den Azoren nicht, wohl weil die Landmasse da zu klein war. Überhaupt ist das Erlebnis von „Land in Sicht!“ diesmal für mich viel intensiver als auf den Azoren, obwohl wir diesmal nur gerade eine gute Woche auf hoher See unterwegs waren. Diesmal habe ich unvergleichlich viel stärker das Gefühl, nach Hause zu kommen, auch wenn ich noch nie auf der iberischen Halbinsel war, aber es ist halt Europa! Mein Herz klopft deshalb für einen Augenblick tatsächlich etwas schneller als normal…

Schon seit 2 Tagen haben wir den immer intensiver werdenden Schiffsverkehr wahrgenommen. Während wir vorher höchstens alle paar Tage mal einen Frachter gesehen haben, sind es nun mehrere pro Tag (sowohl in W/E-Richtung wie auch in N/S Richtung) und im Golf von Cadiz, als wir in die Nähe von Gibraltar kommen, fast einen pro Stunde. Das verheisst eine heisse Nacht, denn bei diesem Verkehr muss die Wache natürlich doppelt aufmerksam sein.

Queen Mary und Statist

Queen Mary trifft auf Frachterlein. Erstere erscheint zwar gleich gross, ist aber 3sm (~5km) weiter weg...

Zum Glück haben wir eine AIS-Antenne und eine entsprechende Integration der Daten auf den digitalen Seekarten. Damit wird das Navigieren und umkurven der Ozeangiganten zum Kinderspiel, weil Position, Geschwindigkeit und Richtung aller kommerziellen Schiffe in der Nähe zur Verfügung stehen, und uns die Software genau sagt, ob wir auf Kollisionskurs sind (allerdings gilt das nicht für andere Segler, die müssen immer noch von blossem Auge erspäht werden!). So quetschen wir uns also um ca. 1 Uhr morgens durch die Meerenge von Gibraltar, umgeben von zahn-, äh, zahllosen Schiffen, die bis zu 25x grösser und 4x schneller unterwegs sind als wir. Natürlich sind wir sehr froh um den idealen Wind (nordnordwest), der uns genügend Freiheit zum Ausweichen gibt, ohne dass wir ständig heftige Manöver fahren müssten.

Am Mittag des 18. Juni landen wir dann schliesslich in Benalmadena, südlich von Malaga, in der spanischen Pauschaltouristenhölle, wo sich das Kapitel „Crewmitglied benimmt sich daneben“ noch einmal wiederholt (in leichter Variation). Aber das kann ich ja ein andermal erzählen, die Leute beschweren sich eh‘ schon über den volkswirtschaftlichen Schaden, den ich mit meinen zu langen Berichten, die zur Arbeitszeit im Postfach landen, anrichte.